Das Mysterium der Wölfe: Die Reise zu Kyrion (German Edition)
ich höre etwas. Das klingt wie ein Schmatzen und Knurren. Oh Gott, vielleicht war es doch nicht so klug hierher zu kommen! Ich sehe noch nichts Genaues. Der Weizen in dem Feld steht einfach noch zu hoch. Moment mal, jetzt kann ich etwas erkennen. Das ist doch...das darf doch wohl nicht wahr sein!
Ein Wolf! Ein waschechter Wolf! Jetzt bloß keinen Mucks machen! Wow, ist dieses Vieh riesig. Das hat mit Sicherheit die Größe eines Bären. Von so riesigen Wölfen habe ich noch nie etwas gehört, geschweige denn einen gesehen. Eigentlich ein wunderschönes Tier. Ein muskulöser Körperbau und wunderschönes schneeweißes Fell. Was für eine beeindruckende Kreatur, aber gleichzeitig wirkt er etwas gruselig mit dem vielen Blut, das er auf Pfoten und Fell hat. Apropos Pfoten. Mit den Krallen, die aus den Dingern herausragen, ist glaube ich nicht zu spaßen. Er steht mit dem Rücken zu mir. Wenn ich doch nur kurz sein Gesicht sehen könnte. Vielleicht wenn ich noch ein bisschen nach vorne gehe...oh nein! Warum muss ausgerechnet da wo ich hin steige ein Stock liegen? Das Knacksen war ja kaum zu überhören! Verdammt, er hat gezuckt! Jetzt stecke ich aber schön in der Klemme!
Nicht bewegen, Jessica. Bleib einfach ganz ruhig stehen, vielleicht hat er dich noch nicht gehört. Zu spät, er richtet sich auf. Oh Mann, jetzt wo er in seiner vollen Größe dasteht wirkt er noch riesiger! Dreh dich bitte nicht um! Um Himmels Willen dreh dich nicht um! Er richtet seine Ohren zurück. Ob er mich atmen hört? Oder meinen Herzschlag? Würde mich nicht wundern, immerhin schlägt mein Herz gerade bis zum Hals! Oh nein, er dreht sich um! Was mache ich nur? Was soll ich bloß tun? Wegrennen? Blöde Idee! Mit den langen und starken Beinen hat er mich, bevor ich erst losgelaufen bin. Um Hilfe rufen? Noch blödere Idee! Da sieht er mich erst recht. Außerdem ist kein Mensch hier, der mir helfen könnte. Verstecken kann ich mich nicht, weglaufen ist unmöglich, vielleicht sollte ich ihm irgendwie Angst machen? Oh Mann, das glaub ich ja selbst nicht! Langsam gehen mir die Möglichkeiten aus!
Gleich sieht er mich! Ist es jetzt aus? Wird er mich töten? Ich will noch nicht sterben! Nicht jetzt schon! Er sieht mir in die Augen...plötzlich wird alles um mich ganz langsam. Alles läuft wie in Zeitlupe ab. Mein Atem beruhigt sich wieder und mein Herz schlägt normal. Ich stehe nur wie angewurzelt da und starre dem riesigen Wolf in die Augen. In die wunderschönen bernsteinfarbenen Augen. Sein Blick kommt mir so vertraut vor. Weder verschreckt, noch bedrohlich. Er strahlt eine unglaubliche Ruhe aus und in mir steigt so ein Gefühl hoch. So ein unbeschreibliches Gefühl der Geborgenheit und Vertrautheit. Ein Gefühl, wie ich es sonst nur bei Jake habe...Moment mal...bernsteinfarbene Augen? Das kann nicht sein! Das ist doch unmöglich! Oder etwa doch nicht?
"Jake, bist du es?" Der Wolf zuckt zusammen und steht nun komplett starr vor mir. Plötzlich blickt er hektisch nach links, dann nach rechts und mit einer enormen Geschwindigkeit saust er davon. Ich verliere ihn binnen Sekunden aus den Augen. Ich drehe mich zur Seite und schaue auf den Hügel, der sich vor mir erstreckt. Darauf steht er. Hinter ihm leuchtet der Vollmond so hell, wie ich ihn noch nie leuchten sah. Majestätisch steht der Wolf da und streckt seinen Kopf in Richtung Himmel. Ein lautes Heulen hallt über die Felder. Ein wunderschöner und mystischer Klang. Der Anblick ist atemberaubend. Plötzlich läuft er wieder davon. Und weg ist er.
Ich stehe noch immer regungslos da. Jede Emotion ist von mir gewichen und ich überlege noch immer, ob das jetzt ein Traum war oder nicht. Völlig perplex und wie in Trance begebe ich mich auf den Rückweg. Eines weiß ich nun: schlafen werde ich heute sicher nicht mehr.
Der nächste Morgen ist angebrochen. Ich habe in der Nacht kein Auge zugemacht. In Gedanken bin ich jede Einzelheit meiner gestrigen Begegnung durchgegangen. Ich habe ständig das Bild dieses Wolfes vor Augen. Dieser Wolf...dieser prächtige majestätische Wolf...die ganze Sache lässt mir keine Ruhe. Was mich aber am meisten beschäftigt, ist die Tatsache, dass er mich nicht angegriffen hat. Und seine Augen. Seine wunderschönen bernsteinfarbenen Augen. Der Anblick lässt mich nicht los. Auch das Gefühl, das ich bei unserer Begegnung hatte. Alles ist so merkwürdig, so unwirklich. Ich weiß, es klingt bescheuert, aber irgendetwas in mir sagt mir, dass ich diesen Wolf kenne, sogar
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