Das Mysterium der Wölfe: Die Reise zu Kyrion (German Edition)
was mich noch mehr interessiert: warum wurde es eingesperrt?
Ich gehe noch einen Schritt näher ran, als ich plötzlich eine Stimme hinter mir höre: "Tu das nicht!" Schnell drehe ich mich um und erkenne von weitem einen grauen Wolf, der mich ansieht. "Es ist verboten, so nahe ranzugehen!" Langsam mache ich wieder ein paar Schritte zurück, drehe mich um und gehe auf den Wolf zu.
Als ich bei ihm ankomme, stelle ich mich erst mal vor: "Guten Tag, ich bin Jessica."
"Freut mich, ich bin Timeos." Was für ein merkwürdiger Name...klingt genauso alt, wie er aussieht. "Tut mir leid, dass ich dich stören muss, aber es ist nun einmal verboten zu nahe an den Käfig ranzugehen. Ich möchte nicht, dass du Probleme mit Cyrus bekommst."
"Ach, das macht doch nichts. Ich war nur ein bisschen neugierig." Der alte Wolf nickt und schaut sich unsicher um. Es sieht wohl ganz so aus, als ob ich hier nicht gern gesehen wäre. "Darf ich fragen, warum ihr euch Neuen gegenüber so bedeckt halten müsst?"
Der Alte schaut bedrückt zu Boden: "Das ist eine wirklich lange Geschichte. Sie hier zu erzählen wäre äußerst unangemessen..." Er zögert noch etwas. "Aber wenn du willst, kann ich dich mit zum Rudel nehmen. Dort dürften wir nicht gestört werden."
Sofort stimme ich zu: "Das wäre wirklich toll. Ich würde die anderen Wölfe gerne kennenlernen."
Also atmet er einmal tief durch und es folgt die Antwort: "Na schön, du kannst gerne mitkommen..." Er dreht sich langsam um und geht gemächlich voraus. Ich folge ihm.
"Ich hoffe, dass ich euch damit keine allzu großem Umstände mache." Das musste ich fast sagen...immerhin habe ich ihm ja nahezu keine Wahl gelassen.
Timeos wirkt nun nicht mehr so abweisend: "Ach, ist schon gut. Es tut mir leid, dass ich dich nicht gleich eingeladen habe, aber es ist wegen Cyrus. Ich will nicht, dass er einen Grund hat wütend zu sein, denn dann lässt er es wieder an uns aus."
"Ich verstehe...keine Sorge, ich werde alle Schuld auf mich nehmen. Falls er euch irgendwie verantwortlich machen will, werde ich dazwischen gehen." Nun lächelt Timeos. Er wirkt fast so, als ob er das nicht wirklich glauben könnte. Ich bin ehrlich gesagt schon gespannt, was er mir so alles erzählen wird. Erst wenn ich beide Seiten der Geschichte gehört habe, weiß ich wirklich, was Sache ist.
Schon sehe ich die ersten Wölfe, die noch immer gemütlich im Gras liegen und sich sonnen lassen. Als sie mich in der Ferne erblicken, versuchen sie sofort jeden Augenkontakt zu vermeiden. Je näher ich komme, desto besser erkenne ich die Ehrfurcht in ihren Gesichtern. Sie wirken wie Untertanen, die sich sofort jedem Willen beugen würden. Sowas wie Meinungsfreiheit kennen sie wohl gar nicht.
Während wir uns durch die Masse von kreuz und quer liegenden Wölfen bis zur Mitte kämpfen, höre ich schon, wie sie zu tuscheln beginnen. Es kommen Phrasen vor, wie: "Was denkt sich Timeos bloß dabei?" oder "Glaubst du, dass wir jetzt Ärger bekommen?". Alles in allem vermute ich, dass ich nicht wirklich gerne hier gesehen bin.
Schließlich kommen wir in der Mitte der Menge an und Timeos legt sich gemütlich ins Gras. Die Wölfe mustern mich von oben bis unten. Das Tuscheln hat sich mittlerweile eingestellt und alle warten gespannt darauf, was als nächstes passieren könnte. Ich mache es mir in der Zwischenzeit auch gemütlich und schaue in die Menge. Dort sehe ich wirklich alle Arten von Wölfen. Die verschiedensten Farben und Größen, sowohl Mütter und Väter, als auch Kinder. Sie haben nur alle eines gemeinsam: ihren Blick. Jeder hat denselben leeren Blick. Als ich so durch die Menge schaue, beginne ich auch gleich zu zählen und mit Timeos komme ich auf einundzwanzig Wölfe. Bei der Gruppe auf der anderen Seite des Baches habe ich nur zwölf gezählt. Hier sind also fast doppelt so viele Wölfe, aber ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass sie mehr zu fressen bekommen...im Gegenteil. Alle sind so abgemagert und kraftlos. In dem Wald gibt es doch genügen Wild für alle! Ich frage mich, warum sie nicht einfach selbstständig jagen gehen. Sie liegen den ganzen Tag nur faul im Gras und haben nichts zu tun. Das ist doch kein Leben für einen Wolf!
"Ich weiß, es ist kein schöner Anblick..." Oh...meine Blicke waren wohl doch etwas zu eindeutig.
Ich entschuldige mich: "Tut mir leid, ich wollte es mir nicht so anmerken lassen."
Timeos scheint es aber nicht zu stören: "Schon gut, es liegt nicht an dir. Wir sind es gewöhnt, so
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