Das Mysterium der Wölfe: Die Reise zu Kyrion (German Edition)
war es umgekehrt. Nach ihrem Tod sprach Cyrus lange nicht mehr. Er wollte nichts mehr mit anderen zu tun haben und verbrachte viel Zeit allein. Man konnte richtig spüren, wie der Hass auf alles und jeden immer größer wurde. Die Tatsache, dass niemand für ihren Tod verantwortlich war, außer sie selbst, wollte er nicht wahrhaben."
Ich setze fort: "Also machte er einfach jeden, der in seinem Umfeld war, verantwortlich. Das ist wirklich bedauerlich..." Langsam verstehe ich Cyrus. Mir ging es ähnlich. Als meine beste Freundin von uns ging, war ich auch wütend auf jeden. Ich wollte niemanden um mich haben und habe Leute ohne Grund angeschrien. Bei mir war es nur so, dass ich durch Jane eine liebende Mutter hatte, die mich langsam wieder auf den Boden holte.
Als ich erneut durch die Menge schaue, sehe ich das Bedauern in den Gesichtern der Wölfe. Die Stimmung hier ist im Moment wirklich erdrückend. Was für ein tragisches Schicksal...kein Wunder, dass Cyrus so geworden ist. Was mich aber noch interessieren würde: wie ist es weitergegangen? Er muss doch irgendwie an die Macht gekommen sein. Durch die Geschichte von seiner Mutter habe ich komplett den Faden verloren.
Das scheint auch Timeos aufgefallen zu sein: "Tja, jetzt bin ich wohl doch etwas abgeschweift...wo waren wir noch gleich? Ach ja, Cyrus ging also zu seinem Vater und machte ihm ein paar Veränderungsvorschläge. Ich war auch dabei und je mehr ich von Cyrus' Vorhaben hörte, desto Schlimmeres befürchtete ich. Mit der Zeit klang es fast so, als wollte er jeden in eine bestimmte Rolle zwingen, bis das Rudel wie eine gut geölte Maschine funktionierte. Mir gefiel die Sache gar nicht und genauso ging es Sirius. Er erklärte seinem Sohn mehrmals, dass er das nicht machen könnte, aber Cyrus gab einfach nicht auf. Wöchentlich und bald darauf täglich kam er zu seinem Vater und versuchte ihn zu überzeugen. Sirius nahm das immer sehr gelassen, obwohl ich merkte, wie sehr es ihm wehtat seinen geliebten Sohn so zu sehen. Und eines Tages, als Cyrus wiedermal zur gewohnten Zeit zu ihm kam, platzte Sirius der Kragen. Er schrie seinen Sohn an und drohte ihm mit dem Rauswurf aus dem Rudel, wenn er diese kranken Ideen nicht sofort vergessen sollte. Das war das Ende der anfangs guten Beziehung zwischen Vater und Sohn. Tag für Tag baute sich immer mehr Hass zwischen den beiden auf. Schließlich wurde Sirius eines Morgens tot aufgefunden. Er muss im Schlaf verstorben sein. Keiner weiß genau, woran es lag, aber es war nun mal so. Das Gerücht machte sich breit, dass ihn der Schmerz wegen des Verlustes seiner Frau und nun auch seines Sohnes letztendlich umgebracht hat. Jedenfalls war er nicht mehr da und Cyrus war der Nächste in der Erbfolge. Er war der einzige Sohn und somit beanspruchte niemand seine zukünftige Position als Anführer. Von da an ging es dann sehr schnell: er stellte eine Truppe von Kämpfern auf, bevorzugte den ein oder anderen in seiner Gegenwart und schon war eine gewisse Ordnung entstanden. Bald sprach er dies auch direkt an und machte uns erneut Vorschläge für die Rangordnung. Wer sich seinem Willen widersetzte, bekam es mit seiner extrem loyalen Schlägertruppe zu tun. Tja, und so sind wir da hingekommen, wo wir uns jetzt befinden."
Ich will das alles noch nicht recht glauben: "Einfach so? Das war's? Ihr habt euch nie zur Wehr gesetzt?"
Plötzlich hallt eine Stimme aus der Menge: "Wie denn auch? Wir haben doch gar keine Chance gegen ihn!" Die anderen geben ihm mit ihren Zurufen recht.
Timeos bleibt gelassen wie immer: "Natürlich habe ich anfangs versucht, das Ganze unter Kontrolle zu halten, aber Cyrus nahm mir jeglichen Einfluss. Mittlerweile sind wir schon so weit, dass wir bestraft werden, wenn wir nur nach etwas mehr Nahrung verlangen. Uns ist es nicht erlaubt selbst zu jagen und langsam werden wir immer schwächer. Es ist eine Taktik, um uns noch gefügiger zu machen." Und sie funktioniert offensichtlich ziemlich gut...
Langsam bekomme ich immer mehr Mitleid mit ihnen: "Es tut mir wirklich leid für euch. Wenn ich doch nur irgendwie helfen könnte...glaubt mir, ich würde so gerne etwas unternehmen, aber Cyrus hat auch mich in der Hand."
"Ach, das macht doch nichts. Wir haben gelernt, uns im Hintergrund zu halten. Es gibt nur ein paar, die sich hin und wieder gegen unseren Anführer stellen. Dabei kommt nur leider nichts Gutes raus..." Bedauernd blickt er zu Boden. Das werden wir ja noch sehen...jetzt sind schließlich wir
Weitere Kostenlose Bücher