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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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erhob«?

    Beim Lesen musste ich meine Heiterkeit zügeln. Der Aberwitz der Historiker und ihrer Gotteslästerungen, wie der anonyme Verfasser dieser Seiten ihre Erfindungen nannte, hatte mich langsam anschwellen lassen, wie den Frosch in der berühmten Fabel.
    »Habt Ihr zufällig eine Idee, wer dieser eingangs erwähnte Orestes, der Verfasser dieser Schrift, sein könnte?«, fragte ich Naudé mit Tränen in den Augen, wegen der Lacher, die ich unterdrücken musste, um unsere Gefährten nicht zu wecken.
    »Orestes? Nein, keine Ahnung«, antwortete er verwirrt und von meiner Heiterkeit mitnichten angesteckt.
    Mir blieb keine Zeit mehr zum Weiterlesen. Im Erdgeschoss hörte man das Schlagen einer Tür, dann ein Gepolter und schließlich den wilden Schrei einer bekannten Stimme:
    »Hunde, Räuber, Möööörder! Meine armen Tiere!«

|280| DISKURS XL
    Darin man nur durch ein Wunder dem sicheren Tod entrinnt.
    Gleich darauf ertönten einige entsetzliche Schläge, das Geräusch zerbrechenden Glases und umherfliegender Scherben, die auf dem Boden zersplittern, der unverwechselbare Ton von Holz, das nachgibt und zerbirst, und schließlich verbreitete sich der beißende Geruch brennenden Pechs.
    »Nein, das nicht!«, hörte ich Barbello schreien, und dann den Widerhall eines Handgemenges, vielleicht eines Zweikampfes.
    Wir stürzten die Treppe hinunter. Noch auf den Stufen wurde uns klar, was geschehen war: Das Mädchen war nach Hause zurückgekehrt, und was sie jetzt vorhatte, hätten wir uns bei unserer Begegnung in der Torre Vecchia nie vorstellen können. Vor dem Haus musste sie ihre Tiere gefunden haben, oder besser das, was davon übriggeblieben war: Felle und Innereien. Von Wut entbrannt, offensichtlich der Wut einer Wahnsinnigen, war sie in das Häuschen gestürzt und wollte uns teuer bezahlen lassen.
    In der Küche verbreiteten sich schon Flammen und Rauch, denn das Mädchen hatte Pech auf dem Boden ausgegossen und mit ihrer Laterne angezündet. Die klebrige schwarze Flüssigkeit hatte sich brennend unter dem Tisch ausgebreitet, die Flammen hatten eine Decke und einen Stoß trockener Zweige und Stroh neben dem Kamin erfasst. Schon war das Atmen in dem Raum unmöglich, Hustenreiz und tränende Augen verwehrten einen Überblick über die Lage. Die Tür stand offen, einige von uns hatten sich gewiss bereits ins Freie geflüchtet.
    Die junge Frau mitten in der Küche sah aus wie eine Gottheit der Hölle: die Augen weit aufgerissen, die Bluse geöffnet, unter der man einen mageren Oberkörper, aber üppige Brüste erkannte, die Haare wirr wie das grässliche Haupt einer Gorgone, die Wangen von Blutspritzern und schwarzen Rußflecken gestreift. Das aufflackernde Feuer warf ein unheimliches Licht auf ihre ganze Gestalt. Eine solche Erscheinung hätte man nicht einmal auf einer Theaterbühne geboten bekommen.
    In einer Hand hielt sie den blutigen Kadaver des letzten Kaninchens, das noch nicht im Ofen gelandet war, in der anderen schwang |281| sie eine schwere Gartenhippe, die sie gegen einen kleinen, an der Wand hängenden Wandschrank schmetterte, worauf dieser zu Boden fiel und aus einem seiner beiden Türen seinen gesamten Inhalt an Gefäßen und Tellern ausspuckte, die am Boden zerschellten. Der nächtliche Überraschungsangriff war erfolgreich gewesen: Selbst wenn wir das Mädchen zur Vernunft bringen konnten, war es unmöglich geworden, als Gäste in ihrem Häuschen zu bleiben. Durch Flammen und Rauch spritzte das Blut des als Knüppel benutzten Kaninchens, mit dem das wie vom Teufel besessene Weib mal hier, mal dort zuschlug, eine unmäßige Kraft entfaltend, wie sie nur Verrückte besitzen.
    »Komm weg von hier!«, schriest du und zogst deinen geliebten Barbello fort, der versuchte, sich dem Mädchen zu nähern, um ihr die Hippe aus der Hand zu nehmen. Die Wahnsinnige hatte wieder begonnen, die Waffe kreisend zu schwingen, auf der Suche nach einem menschlichen Schädel, den sie zerschmettern konnte.
    »Gebt sie auf, hier brennt alles! Weg, sofort weg!«, brüllte Kemal, der von wer weiß woher aufgetaucht war und nun versuchte, den Ausgang zu erreichen, während die Flammen zusehends höher wurden. Der Barbareske stolperte jedoch über einen von der Hippe in Stücke geschlagenen Stuhl, vielleicht jenes Holz, das wir aus dem oberen Stockwerk bersten gehört hatten, hob einen Arm, um seinen Kopf zu schützen und versuchte den Flammen auszuweichen. Der Stuhl hatte bereits Feuer gefangen, die Polsterung aus trockenem

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