Das Mysterium der Zeit
Resignation verwandelt hatte. »Es mag sein, wie du sagst, dass einfache Erklärungen vereinfachend sind und daher nicht wahr sein können, aber dein Sermon, ob wahr oder nicht, ist ziemlich verworren.«
|430| »Verworren ist das, was Galileo tat! Ich habe nur berichtet. Galileo ist es gelungen, die Kirche von Rom zu nötigen, und das in einem äußerst heiklen Moment des Kampfes gegen die Protestanten, in dem die Katholiken beschuldigt wurden, den Buchstaben der Bibel nicht zu achten!«
»Einen Augenblick! Alle stillgestanden und Mund zu, verflucht!«
Es war Kemal, der Schweigen geboten hatte. Er ließ Schoppe absteigen und kletterte auf einen Baum mit starken Ästen. Wir beobachteten ihn neugierig, wie er seinen Blick über das Innere der Insel schweifen ließ. Dann kam er herunter, offenbar ohne etwas gesehen zu haben.
»Unser Heim ist nicht weit, liegt aber sehr einsam, von hier aus könnt ihr es nicht sehen«, erklärte ihm einer der Bärtigen.
»Euer Heim ist mir völlig egal«, entgegnete der Barbareske, »ich habe versucht, meinen Matrosen, diesen Faulpelz, zu entdecken. Mir war, als hätte ich einige Pflanzen in verdächtiger Bewegung gesehen. Aber es war nichts, gehen wir weiter.«
Schon wenige Minuten später flammte der Streit zwischen Schoppe, Guyetus und Naudé wieder auf.
»Vielleicht wollte Galileo sich nur für die ewigen Verhöre durch die Kirche rächen«, mutmaßte Naudé grinsend an Schoppe gewandt.
»Mein lieber Gabriel«, hob Schoppe zu seiner entnervenden Leier an. »Ich verstehe ja, dass du nicht promoviert bist, aber du bist immerhin Secretarius eines Kardinals in Rom gewesen! Du müsstest besser wissen als ich, dass das Heilige Offizium jeder Anzeige, die es erhält, nachgehen muss. Und Neider gibt es in der akademischen Welt zuhauf. Trotzdem verliefen alle Anzeigen gegen Galileo im Sand, weil er ein Freund der Priester war. Jahrzehntelang hatte er eine Frau aus dem Volk als Konkubine, doch als er berühmt wurde und von den italienischen Höfen umworben, entledigte er sich ihrer und der gemeinsamen Kinder mit Hilfe seiner Priesterfreunde. Der Junge wurde von einem Priester aufgezogen und die Mädchen ins Kloster gesteckt. Dank seiner Freunde aus der Kirche konnte er das Verbot umgehen, dass Kinder keine Gelübde ablegen dürfen. Die Trennung von der Mutter und das Eingeschlossensein im Kloster erschütterten das jüngste Mädchen so sehr, dass sie den Verstand verlor. Reicht dir das?«
»Liebster Caspar, Ihr habt so viel Wissen unter Eurem erhabenen, |431| schön gescheitelten und gefärbten Schopf, und wollt uns weismachen, dass Galileo die Kirche zwang, ihn zu verurteilen?«, gab Naudé säuerlich grinsend zurück.
»Dein Freund Galileo zwang die Kirche, Position zu beziehen!«
»Die Priester sind Meister darin, sich dumm zu stellen, und Galileo hat gut daran getan, als er sie zwang, aus der Deckung zu kommen!«
»Halt den Mund, Ignorant. Wie ich dir schon sagte, hat es immer zwei Strömungen in der Kirche gegeben: die dogmatischen Aristoteliker des Heiligen Offiziums, für die Aristoteles allem Anschein und aller mathematischen Berechnung zum Hohn immer Recht behält, und die platonischen Theologen, die sich damit begnügen, die augenscheinlichen Tatsachen für praktische Zwecke zu nutzen, ohne sich dafür zu interessieren, ob dieser Anschein auch wirklich ist, da nur Gott weiß, was wahr ist und was nicht.«
»Entschuldigt bitte«, unterbrach sie der redefreudigste der Bärtigen mit komischer Ehrerbietung, »ich wäre sehr dankbar für eine nähere Erhellung dieses wahrlich komplizierten Gedankens.«
»Ich werde es Euch erklären«, antwortete Schoppe eifrig und seine Augen strahlten vor Freude darüber, vom vermeintlichen Philos Ptetès um etwas gebeten worden zu sein. »Eine Theorie kann nicht durch ihre Wirkungen bewiesen werden. Es lässt sich nämlich nicht ausschließen, dass dieselben Wirkungen auf anderen, noch unbekannten Wegen erzielt werden. In wenigen Worten: wenn wir durch das Fernrohr sehen, dass die Erde sich um die Sonne zu bewegen scheint, und mathematische Berechnungen diese Theorie bestätigen, beweist das noch nicht, dass diese Bewegung wirklich stattfindet. Vergesst nicht, dass die Sonne sich, mit bloßem Auge gesehen, um die Erde zu drehen scheint! Und die Tabellen des Ptolemäus haben sich jahrhundertelang bei der Vorhersage der Bewegung der Planeten sehr gut bewährt! Bis Kopernikus andere, noch genauere aufstellte, bei denen nicht die Erde,
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