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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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Die für Rolando war Angelica: Für Ruggiero jetzt die Dame von Dordona ist’s

    Besorgt knieten wir um den armen Guyetus. Nur Kemal war nicht übermäßig beeindruckt.
    »Ein ordentlicher Tritt in den Magen hilft gegen Aufregung vor der Schlacht. Man denkt nicht mehr an die Angst. Mit diesem einfachen Trick soll der große Kair Eddin, der berühmte Barbarossa, mehr als eine Meuterei im Keim erstickt haben. Matrosen rebellieren immer aus Angst, nicht aus Ungehorsam. Ihr werdet sehen, dass es eurem neunmalklugen Freund gleich viel besser geht.«
    Doch unsere Aufmerksamkeit wurde von deiner geradezu triumphalen Rückkehr abgelenkt:
    »Gefunden! Ich habe das Haus der drei Bärtigen gefunden!«, riefst du, aus dem dichten Gebüsch auftauchend. »Und ich habe hier ganz in der Nähe etwas Sonderbares entdeckt!«
    In der Hand hieltest du ein etwas ramponiertes und mit Blättern bedecktes Fernrohr.

DISKURS LXVI
    Darin die Piana dei Morti weitere Überraschungen bereithält.
    Vielleicht hattest du uns aus jugendlichem Sinn für Humor nicht die ganze Wahrheit über das Haus der drei Bärtigen gesagt. Denn es handelte sich nicht um eine gewöhnliche Bleibe, sondern um das Haus des Friedhofswärters, und der Friedhof lag direkt dahinter.
    »Gütiger Himmel«, sagte Schoppe und bekreuzigte sich. »Das ist nicht gerade eine schöne Landschaft.«
    Der Friedhof war in Wirklichkeit wenig mehr als eine Erinnerung, da man die Grabsteine, Grabplatten und Stelen kaum noch erkennen konnte. Die Zeit hatte sie halb im Erdreich versinken lassen, unentzifferbar gemacht und beschädigt oder ganz zum Verschwinden gebracht. Höchstens zwanzig Grabstätten waren noch sichtbar, wie zufällig auf dem kahlen, trostlosen Gelände des Friedhofs verteilt. Es wurde umgrenzt von einem alten Mäuerchen voller Risse, der Eingang war ein aus den Angeln gerissenes, verrostetes Tor.
    |453| Das Heim der drei auf geheimnisvolle Weise vor unsrer Nase verschwundenen Bärtigen war kein armseliges Häuschen wie das von Nummer Drei, sondern ein großes ländliches Anwesen mit zwei Stockwerken. Wir nutzten das letzte Tageslicht, um das Haus von oben bis unten nach den Papieren des Philos Ptetès zu durchsuchen. Von dem slawonischen Mönch gab es natürlich keine Spur.
    Im Erdgeschoss fanden wir einen Stall, einen Heuschober, eine Küche, einen Speiseraum und einen Saal. Eine Außentreppe führte hinauf zum ersten Stock, wo man durch eine Galerie an den Längsseiten des Hauses entlanggehen und in die Schlafzimmer gelangen konnte. Auch eine Innentreppe verband die beiden Stockwerke. Das Ganze war von großzügigen Ausmaßen, obwohl das Gebäude keinen Blick aufs Meer bot, ja fast in der Natur zu ertrinken schien, die dank langer Vernachlässigung auf allen Seiten ungehindert wucherte. Der Putz blätterte ab, die Mauersteine lagen bloß. Der Stall schien seit unvordenklichen Zeiten leer, ebenso der Heuschober. Auf dem Holzstapel lagerte uraltes Holz, der Zugangsweg war unter Staub und Kletterpflanzen fast verschwunden.
    Unsere Suche hatte nicht den geringsten Erfolg: Nicht einmal im Keller fanden wir den ersehnten Schatz.
    Um das Haus herum lagen die Überreste besserer Zeiten: Käfige und Zwinger für Tiere, doch ohne Lebenszeichen, eingestürzte Werkzeugschuppen, verwilderte Salatbeete, Gärten mit vertrockneten Heilpflanzen, alte Bienenstöcke, die wer weiß wie lange nicht mehr bevölkert waren. Nur der Brunnen gab noch ein paar Tropfen her. Es war offensichtlich, dass die drei Bärtigen nur dank der Lebensmittel überleben konnten, die die Schiffe des Großherzogs gelegentlich aus Livorno brachten.
    »Dies war das Haus des Friedhofswärters. Der Stall und der Heuschober müssen ursprünglich die Aufbahrungshalle gewesen sein, aber wer sich hier niedergelassen hat, nachdem der Friedhof nicht mehr benutzt wurde, hat sie für seine eigenen Zwecke umgewidmet«, sagte Naudé.
    Wir blickten einander traurig und hilflos an. Bis vor kurzem hatten wir das
Satyricon
von Petronius in der Hand gehabt, waren womöglich sogar an der Seite von Philos Ptetès marschiert, und unsere dreisten Philologen sahen sich schon mit Lorbeerkranz auf den Frontispizen zukünftiger kanonischer Werke porträtiert. Jetzt hatten wir nichts |454| mehr außer dem winzigen Fragment des
Satyricon
aus der Torre Vecchia, das uns jetzt, verglichen mit dem Schatz, den wir schon fast in unserem Besitz gewähnt hatten, wie eine Nichtigkeit erschien. Und wir wussten nicht, warum der slawonische Mönch

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