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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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der Galeerenaufseher an der Bordtaverne zu Wucherpreisen verkauft.

    »Atto, hör auf, wie ein Huhn zu gackern, und spiel mit uns.«
    Das war der melodische venezianische Tonfall von Barbellos Kastratenstimmchen, das feiner war als deine Stimme, jedoch weniger kräftig. Im Gegensatz zu dir liebte er Possen und unablässiges Gelächter. Als Antwort warfst du mit einem hohen Ton, der allen ringsum das Trommelfell zerfetzen konnte, einen Schuh auf ihn. Barbello, in eine dicke Decke eingemummt, merkte es nicht einmal, er saß hingeflegelt mit dem Rücken an eine Holzkiste gelehnt, während Malagigi, der sich, ebenfalls in eine Steppdecke gehüllt, vor ihm ausgestreckt hatte, träge die Spielkarten mischte. Der venezianische Kastrat, kleinwüchsig wie Malagigi, doch rundlich und weich, hatte sich sofort mit dem Leben auf der Galeere arrangiert, dem erzwungenen Aufenthalt auf einem schwankenden, mitten im Meer verlorenen Gefährt, auf dem eine Gruppe Unglücklicher sich, umgeben von Gestank und Mist, zusammendrängt, und wo man, um nicht in Streit zu geraten, alle eitle Würde ablegen und zu guten Kameraden werden muss.
    Erstaunt beobachteten Schoppe, Guyetus und Hardouin euch Kastraten, den berühmten Malagigi, den vielversprechenden Atto Melani und den Plagegeist Barbello. Euer dreistes Naturell machte sie verlegen, |63| vielleicht waren sie auch ein wenig erschrocken über eure seltsamen Körper, den leicht aufgeblähten Brustkorb, die ungewöhnlich schmalen Finger.
    Nach einer Weile hörtest du auf zu singen und zogst dich in das Achterkastell zurück. Barbello war unterdessen eingeschlafen, sein Kopf ruhte auf dem Wachstuchsack, und Malagigi hatte ich aus den Augen verloren. Ich blieb lange Zeit in Betrachtung des Horizonts versunken, bis ich gewahrte, dass es zu regnen begonnen hatte, und hörte, wie einige der Ruderer die ersten Tropfen fluchend kommentierten. Bevor auch ich mich in das Kastell flüchtete, wollte ich mir ein Glas warmen Wein holen, doch eine Stimme ließ mich innehalten.
    »Der Junge hat zu lange im Wind geträllert, und jetzt tut ihm die Kehle weh, nicht wahr?«
    Es war Malagigi, der plötzlich hinter dem Beiboot an Bord hervorkam. Dank deines Aufenthalts in Rom und der Unterrichtsstunden, die du bei ihm und Luigi Rossi genommen hattest, kannten wir uns gut.
    »Nein, mein Herr. Der junge Atto ist nur ein wenig melancholisch gestimmt. Die Reise langweilt ihn: Geduld ist nicht seine Stärke, und er wäre gerne schon in Paris.«
    »Ja, natürlich«, sagte Malagigi mit einem gutmütig spöttischen Lächeln. »Und er kann es kaum erwarten, zu erfahren, was wir dort tun sollen, habe ich Recht?«
    »Genau so ist es.«
    »Tja, das würden alle Musiker gerne wissen, die sich in diesen Tagen nach Frankreich eingeschifft haben«, pflichtete Pasqualini mir freundlich bei. Dann senkte er die Stimme: »Wisst Ihr, ob sich unter den Passagieren dieses Schiffes ein Mönch befindet?«
    »Bis jetzt habe ich noch keine Ordensbrüder entdeckt«, antwortete ich ein wenig überrascht. »Und es gibt nicht eben viele Passagiere auf dieser Kriegsgaleere.«
    »Ich hörte Hardouin und Guyetus darüber sprechen«, erklärte Malagigi, »aber sie ahnten nicht, dass ich ihnen zuhörte.«
    »Hardouin und Guyetus? Mithin zwei Franzosen, die sich in ihrer Muttersprache unterhalten. Vielleicht habt Ihr etwas falsch verstanden«, gab ich zu bedenken und tat, als hätte ich überhört, dass Malagigi sie heimlich belauscht hatte.
    »Möglich«, antwortete er. »Tatsächlich nannten sie einen Namen, |64| doch er war unverständlich. Was ich dagegen verstanden habe, ist, dass beide anhand von Hinweisen, die sie in einem Brief erhalten haben, nach diesem Mönch suchen.«
    »Fürchtet Ihr, es könnte sich um eine unsaubere Machenschaft handeln?«
    Pasqualini schwieg einen Augenblick.
    »Nein, so ist es mir nicht erschienen«, sagte er, »aber ich glaube verstanden zu haben, dass sowohl Guyetus als auch Hardouin enttäuscht sind, weil sie ihn nicht gefunden haben. Meiner Meinung nach könnte es sich um jemanden handeln, den der Kardinal in Paris erwartet, jemand, der gerufen wurde wie wir, um Musik zu machen. Vielleicht ein kastrierter Mönch. Und wenn er nun beim Appell fehlt, nun, dann ist das womöglich ungünstig für uns. Vielleicht sollte er bei dem Schauspiel mitwirken, das der Kardinal plant.«
    Ich versprach Malagigi, die Ohren offenzuhalten und ihm alles zu berichten, was ich herausfinden konnte. Ich würde ein paar Fragen stellen,

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