Das Mysterium der Zeit
schon tot geglaubt oder befürchtet, wir seien für immer vom Geheimnis in Gestalt der drei Bärtigen verschlungen worden. In Ermangelung des erwarteten Wildbrets hatte man sich mit der frugalen Kost wilder, in der Umgebung gesammelter Wurzeln begnügt, da das Wildschwein noch immer hart wie Holz war.
Während die Schatten des Abends sich senkten, mussten wir einen raschen, knappen Bericht der Ereignisse abstatten. Leider löste unsere Schilderung (die einige akrobatische Auslassungen aufwies, wie zum Beispiel die Tatsache, dass das Treffen heute Morgen mit Philos Ptetès nicht das erste, sondern schon das zweite gewesen war), wie man sich hätte denken können, bei Caspar Schoppe eine Reihe erstaunter Kommentare und begehrlicher Fragen aus. Ich bemerkte die liebevollen Zeichen deiner Wiedervereinigung mit Barbara Strozzi, tat so, als sähe ich nichts und fragte mich, wem deine verkleidete Frau ihren Körper geschenkt haben mochte, während deiner und meiner im eiskalten |571| Wasser der Höhle gefror. Außerdem erwartete uns eine traurige Nachricht: Hardouin und Malagigi hatten uns verlassen.
Nicht, um ins Paradies einzugehen, sondern in Richtung Livorno. Sie hatten das Boot genommen und ihr Glück auf den Wellen gesucht, nicht ohne zu versprechen, sie würden uns Hilfe schicken, wenn sie lebend im Hafen des Großherzogtums landen würden. Hardouin hatte einen Zettel mit Erklärungen zurückgelassen und als Grund für seine Entscheidung den unbezwingbaren Wunsch angeführt, seine Gemahlin und das Neugeborene in die Arme zu schließen. Er habe Pasqualini überredet, ihn zu begleiten, weil es zu zweit sicherer sei. Zum Glück hatte er in seinem Abschiedsbrief verschwiegen, dass Kemal, Barbara und ich an der Reparatur des Schiffs beteiligt gewesen waren.
»So werden wir nie erfahren, wie Pasqualini es fertiggebracht hat, sowohl das erste Fragment von Petronius als auch die erste Notiz von Bouchard in der Torre Vecchia zu finden«, sagte Schoppe. »Das roch mir die ganze Zeit über faul. So wie auch seine Beziehung zu Bouchard, die er nicht richtig erklären konnte.«
Zu dieser Stunde aufzubrechen war nicht ratsam, außerdem unter praktischen Gesichtspunkten überaus unangenehm, denn du, Naudé und ich mussten erst noch unsere nassen, salzverkrusteten Kleider trocknen. Kemal goss uns ein wenig heißen Wein ein, den er im Keller gefunden hatte, und so wärmten wir uns rasch auf. Naudé, der Alkohol nicht vertrug, schlummerte alsbald ein und wurde vom Korsar fast gewaltsam ins Bett befördert.
Für den nächsten Tag schmiedeten wir einen einfachen, aber eisernen Plan: im Morgengrauen vorsichtige Annäherung an den Unterschlupf der vier Banditen, um zu erkunden, wie der arme Philos Ptetès befreit werden konnte, der damit zum ersten Mal auf jemanden treffen würde, verkündete Schoppe triumphierend, dem er seinen berühmten Brief geschrieben hatte.
Die Mission drohte schwierig und gefährlich zu werden. Wir hatten nur noch eine Pistole, während die Entführer gut bewaffnet waren. Wir würden uns sehr geschickt anstellen müssen, damit das Unternehmen nicht in einem tödlichen Schusswechsel endete.
|572| DISKURS LXXXVII
Darin sich Barbara Strozzi von einer Jägerin in eine Jagdbeute und von einer Wilden in Freiwild verwandelt.
Der erste Teil der Nacht verging in völliger Stille, zumindest für mich, der ich zu müde war, um wieder ein Opfer der Schlaflosigkeit zu werden. Bevor ich einschlief, sah ich den falschen Barbello noch in dein Bett kriechen.
Doch je mehr Kräfte mein Körper zurückgewann, desto leichter wurde der Schlaf, und so wunderte ich mich nicht, dass es noch stockfinster war, als ich die Augen öffnete. Ich schaute in deine Richtung. Du warst allein.
Doch etwas hatte mich geweckt. Erstickte Schreie aus der Küche, ein Streit, wie mir schien. Als ich näher kam, erkannte ich, dass jemand um Hilfe rief, doch mit sehr leiser Stimme, aus Angst, gehört zu werden. Ich spähte durch den Vorhang und glaubte meinen Augen nicht zu trauen: Barbara wand sich, Oberkörper und Gesicht auf die Tischplatte gedrückt, unter dem Griff ihres brutalen Angreifers, der sie am Hals festhielt.
»Du hast deinen Hintern diesem anderen Kastraten geliehen«, hörte ich Naudé keuchen, »und du hast dich von allen befriedigen lassen! Aber mir hast du noch nie etwas gegeben. Also nehme ich ihn mir ohne Einladung, diesen schönen Hintern, was meinst du?«
Als ich die leere Flasche auf dem Tisch sah, begriff ich: Naudé
Weitere Kostenlose Bücher