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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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erklärt wird, warum der Herr der Zeit ein Lügner und Sohn von Lügnern war.
    Der Vater Scaligers war einer der meistbewunderten Literaten ganz Europas. Sein Traktat
Poetices libri
, »Über die Dichtung«, galt noch Jahrzehnte nach seinem Tod als das wichtigste Werk über die Dichtkunst. Die Gelehrten halb Europas zerrissen sich die Kleider vor Begeisterung über ihn und priesen ihn in den allerhöchsten Tönen. Nach dem Urteil des berühmten Jacques Auguste de Thou, hochgelehrter Meister der französischen Historiker, stand keiner höher als Julius Cäsar Scaliger, weder in der Antike noch in der Moderne. Man nannte ihn einen ausgezeichneten Kenner der Medizin, Botanik, Dichtung, Philologie, Grammatik, Rhetorik, Philosophie, Metaphysik |577| und Naturgeschichte, und vielleicht hätte man noch mehr gefunden, wenn ein einziger Mensch imstande gewesen wäre, sein gesamtes Werk zu lesen, das unermesslich zu sein schien. Von seinem Anwesen in Südfrankreich aus behandelte er alle mit grenzenloser Verachtung. Widersprach man ihm, suchte er sofort Streit, er liebte Beleidigungen, freute sich erklärtermaßen am Tod seiner Feinde und verherrlichte sich selbst weit über die Grenzen des Anstands hinaus.
    Was er in seiner Jugend getan hatte, weiß man nicht genau, später kam heraus, dass er eine Zeitlang Geistlicher war, weil er den irrwitzigen Plan hatte, Papst zu werden. Sein Nachname Scaliger, behauptete er, bezeuge seinen berechtigten Anspruch auf das Herzogtum Verona, weil er Nachfahre der Della Scala sei, der einstigen Herren von Verona. Wenn seine Ansprüche anerkannt würden, hätte er bis zum Stuhl Petri aufsteigen können, wie er meinte.
    Nun hieß er aber in Wirklichkeit gar nicht Scaliger, sein richtiger Name war Giulio Bordone (den Namen Cäsar hatte er sich aus Prestigegründen selbst gegeben), und er war kein Kind eines adeligen Della Scala, sondern eines gewissen Benedetto Bordone, eines unbekannten venezianischen Miniaturenmalers von einfacher Herkunft. Der Nachname Bordone leitete sich vom lateinischen
burdo
ab, »Gewicht« oder »Lasttier«, was bedeutet, dass Giulio wahrscheinlich von einem Lastträger abstammte.
    Irgendwann siedelte er nach Frankreich über, in die Stadt Agen, wahrscheinlich um Ärger in Italien zu entgehen. Hier konnte er seine wahre Vergangenheit verbergen und seinen neuen Landsleuten die Mär von seinen aristokratischen Ursprüngen aufbinden. Er erfand sich eine neue Lebensgeschichte, behauptete, er sei ein Della Scala, erzählte, er sei Page des Kaisers von Österreich gewesen, habe als Soldat viele Schlachten gekämpft und sei mit Tapferkeitsmedaillen ausgezeichnet worden, doch er habe auch bei dem großen Dürer Malerei studiert.
    Er streckte seine Klauen nach einer bezaubernden, dreizehnjährigen Waise aus, doch die Verwandten der Unglücklichen widersetzten sich der Ehe mit diesem verdächtigen, dreißig Jahre älteren Individuum. Unterdessen war Julius Cäsar, indem er an allen Ecken und Enden mit Lügen aufwartete, wunderbarerweise zum Arzt des Bischofs von Agen aufgestiegen und besaß nunmehr genug Ansehen, um zu tun, was ihm passte. Er nahm das Waisenmädchen und machte |578| ihr fünfzehn Kinder. Eines davon war Joseph Justus, der zukünftige Herr der Zeit, der sich nicht Bordone nannte, wie es richtig gewesen wäre, sondern ebenfalls Scaliger.
    Da er in Agen eine gutbezahlte Anstellung und viel freie Zeit zur Verfügung hatte, vertiefte Julius Cäsar sich in das Studium der Literatur und Naturgeschichte. Die großen Philosophen seiner Zeit, wie Erasmus von Rotterdam und Gerolamo Cardano, beneidete er glühend. Erasmus, der von ihm öffentlich beleidigt wurde, reagierte mit verächtlichem Schweigen, was Julius zur Weißglut brachte. Er versuchte, auf sich aufmerksam zu machen, indem er bergeweise bedeutende philosophische Werke ankündigte, die er nie schrieb. In den Büchern, die er tatsächlich veröffentlichte, verwies er mit vagen Zitaten auf andere Schriften, die er angeblich verfasst hatte, ohne je genau anzugeben, welche das waren. Er bezeichnete sie mit hochtönenden Titeln wie
Exercitationes Nobiles, Origines, Exercitationes Exotericae
und dergleichen mehr, aber in Wirklichkeit waren es nur Notizen, die er Tag für Tag anhäufte (er war ein geschwätziger Vielschreiber) und dann, je nach den aktuellen Erfordernissen, in die Werke stopfte, die er zu veröffentlichen gedachte. Er war sehr geschickt darin, seine Abhandlungen auf allgemeine, sehr vage Probleme

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