Das Mysterium der Zeit
einzigen Gegenstand von Wert in diesem Dreckloch, und ich soll auch noch den Mund halten … Oh, dieser Hundesohn von einem Korsar!« Doch er vergewisserte sich, dass Kemal ihn nicht hörte oder besser, dass er so tat, als ob er nichts hörte.
Mühsam und unsicher kamen wir voran, und plötzlich wusste ich, wo wir waren. Wir gingen schon an der Schlucht entlang, die uns früher oder später den Weg versperren würde. Zurückkehren und unserem bewaffneten Feind in die Arme laufen war unmöglich. Ich erklärte Naudé, wo wir uns befanden, und fragte ihn, ob mein Orientierungssinn mich täuschte.
»Nein, Ihr habt recht, Signor Secretarius«, bestätigte er, »genau in diesem Stück Wald haben wir zum ersten Mal gejagt.«
|593| Dann holte er die Karte von Philos Ptetès aus der Tasche und sagte fast unhörbar: »Hier in der Nähe muss der unterirdische Gang sein!«
Ich warf einen Blick auf die Karte. Er irrte sich nicht.
»Das ist unsere letzte Hoffnung!«, flüsterte er aufgeregt und drückte meinen Arm.
Zunächst glaubte ich, er meinte, nur so könnten wir unser Leben retten, doch Mazarins Bibliothekar dachte an Poggios Handschriften: Jetzt, da der slawonische Mönch für immer schwieg, blieb uns nur jene rätselhafte Karte, um seinen Schatz zu finden.
Ich bat Kemal, die Gruppe eine kurze Strecke Wegs führen zu dürfen. Der Korsar trug noch immer das Messer, das wir ihm für den Überfall auf die Hütte ausnahmsweise überlassen hatten. Ich erinnerte ihn an unsere Vereinbarung. Äußerst widerwillig, fast verächtlich, reichte er es mir und überließ mir die Führung.
Er hatte meiner Aufforderung gehorcht. Andernfalls hätte ich die Pistole benutzen müssen, und alles wäre schwierig geworden.
Noch wenige Minuten, und wir waren an der Stelle angelangt, die zu erreichen ich gehofft hatte. Naudé und ich wechselten einen Blick des Einverständnisses. Zum Glück war der Boden in deutlich besserem Zustand als bei unserer ersten Erkundung.
»Wir müssen diesen Hang hinunter. Ich gehe voraus«, erklärte ich.
»Das nennt Ihr einen Hang?«, fragten die anderen mit besorgten und ungläubigen Blicken auf die Schlucht, die fast senkrecht vor uns abfiel.
Wir hatten das Seil aus der Hütte, Kemal trug es noch über der Schulter. Es war nicht besonders lang, aber sehr kräftig und genügte für unsere Zwecke. Ich zeigte zunächst mit Kemals Hilfe, wie wir vorankommen würden.
Es war nicht nötig, sich das Seil um die Taille zu binden, wie ich gedacht hatte. Dank des dichten Belags mit Laub rutschte man nicht ab, es genügte also, das Seil um einen starken Baumstamm zu knoten, und man konnte sich langsam daran in die Schlucht herablassen. Ich machte es vor und kam mühelos wieder nach oben. In diesem Moment ahntet ihr, Naudé und du, lieber Atto, bereits die mögliche Verbindung zwischen jenem Gitter, auf das wir damals zu dritt in der tief im Wald versteckten Schlucht gestoßen waren, und dem unterirdischen Netz aus Tunneln voller Abzweigungen, das uns, leider als Gefangene, zu der Seegrotte geführt hatte.
|594| Als ich bei dem Gitter ankam, das der Erdrutsch zum Glück doch nicht ganz verschüttet hatte, hatte ich mich eine Zeitlang abmühen müssen, es aus seiner Verankerung zu reißen, da ich nur mit einer Hand arbeiten konnte (mit der anderen musste ich mich am Seil festhalten), dann war es mir gelungen. Zu euch zurückgekehrt, erntete ich Komplimente und Zustimmung, denn unterdessen war euch klar geworden, dass die Schlucht uns zwang, umzukehren oder sie in einer unbekannten Richtung zu umgehen, was angesichts des kurz bevorstehenden Sonnenuntergangs kein vernünftiges Wesen freiwillig getan hätte. Alle ergaben sich schließlich der Notwendigkeit, in den unterirdischen Gang hinabzusteigen, mit Ausnahme des ewig störrischen Schoppe. Schlimmstenfalls, so hatte ich erklärt, würden wir dort unten wenigstens einen sicheren Unterschlupf für die Nacht finden, hatten wir Glück, würde der Stollen uns über die Schlucht hinausführen.
Genau so geschah es. Mit ein wenig Geduld, die vor allem nötig war, um die träge Masse Caspar Schoppe vorwärts zu bewegen, schlüpften wir einer nach dem anderen in den unterirdischen Kanal.
Als wir unter der Erde waren, gab es anfangs Proteste und übellaunige Kommentare, denn in dem Stollen sah man die Hand vor Augen nicht. Kemal nannte mich einen verrückten Träumer, Schoppe einen Schlächter ehrbarer Männer, die anderen schwiegen verdrossen und ängstlich. Tatsächlich
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