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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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der von Lügen verfälschten Zeit gelandet waren.
    »Sie sind mit Sicherheit verbrannt worden«, sagte Naudé, »aber das ist nicht das Schlimmste. Denn es gab noch mehr Schriften. Studien, deren Existenz Bouchard niemals zugegeben hat, doch aus seinen Zweifeln, seinen Forschungen, den Fragen, die er stellte, konnte man schließen, dass es sie gab. Cassiano war sich dessen sicher, obwohl er nichts Bedeutendes finden konnte. Da fielen jemandem die Reisetagebücher ein.«
    Wie du und ich schon von Schoppe wussten, hatte Don Christophe Du Puy, Kartäuserprior in Rom, Anfang November, also knapp zwei Monate nach Bouchards Tod, seinen Brüdern in Paris eine unglaubliche Mitteilung gemacht. Er berichtete, Cassiano dal Pozzo habe ihn zu sich gerufen und ihm einige Papiere gezeigt, die er in Bouchards Nachlass gefunden hatte. Später habe Cassiano ihm sämtliche Papiere ins Kloster bringen lassen, damit er sie in Ruhe lese. Der Kartäuser schrieb den Brüdern, er habe diese Papiere sofort empört zurückgeschickt. Es handelte sich um das Tagebuch der Reise Bouchards von Paris nach Rom, das dann im Königreich Neapel fortgesetzt wurde. Der Verfasser schrieb von sich selbst in der dritten Person und nannte sich Orestes, wie Bouchard es immer getan hatte.
    Vor allem im ersten Teil, wo die Jugendjahre des Protagonisten erzählt werden, war das Tagebuch mit unbeschreiblichen Obszönitäten gespickt. Pädophilie, zwanghaftes Onanieren, Impotenz, krankhafte, perverse Spielchen in Gruppen junger Männer.
    Es gab auch Gedichte und Briefe mit lüsternen sodomitischen Untertönen. Du Puy schrieb seinen Brüdern, es sei ihm unbegreiflich, wie dal Pozzo es wagen konnte, ihm so etwas zu schicken und warum er es getan habe, vor allem aber, was Bouchard, der stets eine angeborene Schicklichkeit im Umgang und in der Konversation gezeigt habe, eingefallen sei, zu seinem eigenen Schaden derartige Obszönitäten zu verbreiten, anstatt sie vor seinem Tod zu verbrennen.
    Von ihrem Bruder informiert, verbreiteten die beiden Pariser Du Puy, die seltsamerweise schon seit einiger Zeit begonnen hatten, Bouchard |624| verächtlich zu machen, blitzschnell die Nachricht von diesen Perversionen: Innerhalb weniger Tage war Bouchards guter Name auch als Forscher für immer zerstört.
    »Das war das Werk der Besten, die niemals Fehler machen. Schakale, Schatten und Lemuren.«
    »Was meint Ihr damit?«
    »Ach, komm schon! Kapierst du wirklich nicht?«, brüllte er, während er, wieder gefährlich torkelnd, eine halbe Drehung um sich selbst machte. Dann packte er dich am Kragen, ein fester Griff, der dich fast erwürgte, und schrie dir ins Gesicht:
    »Keiner! Verflucht noch mal, keiner ist so verrückt, schwarz auf weiß aufzuschreiben und der Nachwelt auszuposaunen, wie oft er am Tag masturbiert oder in wie vielen Betten er keinen hochgekriegt hat. Am allerwenigsten vertraut man das jemandem wie Cassiano dal Pozzo an, der als einer der strengsten und meistbewunderten Gelehrten Italiens gilt. Und das soll ausgerechnet jemand wie Bouchard riskiert haben, der für ein Bischofsamt im Gespräch war?«
    Er blickte mit verzerrtem Gesicht zum Himmel. Dann ließ er dich los und setzte sich. Du konntest endlich frei atmen.
    »Ihr wollt damit sagen, dass der Kartäuserprior Du Puy in Abstimmung mit Cassiano dal Pozzo und den Brüdern Du Puy in Paris gelogen hat.«
    »Schön wär’s, wenn sie gelogen hätten. Für meinen Freund wäre das viel besser gewesen. Aber sie taten weit Schlimmeres. Mit Potier und zwei Handlangern. Tag für Tag, unermüdlich.«
    »Was meint Ihr damit?«
    »Was meint Ihr, was meint Ihr … kannst du denn nichts anderes sagen, mein kleiner Einfaltspinsel?« Und nachdem er dich zärtlich grollend an sich gezogen hatte, drückte er sich an deine Leisten und leckte, keuchend wie ein Blasebalg, die zarte, weiße Haut deines langen Kastratenhalses.
    Flink griffst du nach dem Fässchen, und nachdem du einen theatralisch tiefen Schluck vorgetäuscht hattest, der in Naudés Augen das Vorspiel zu ungeahnten Wonnen sein musste, dir aber nur dazu diente, dich von ihm zu lösen, reichtest du ihm das Getränk.
    »Ihr wollt also sagen«, flüstertest du, die Augen mit einem Ausdruck unschuldigen Nachdenkens zum Himmel hebend, während Naudé gierig den Likör hinunterstürzte, »dass der Kartäuserprior in |625| seinem Brief an die Pariser Brüder gelogen hat. Und dass alle gemeinsame Sache mit Cassiano machten …«
    »Und mit vielen anderen dazu«, ergänzte

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