Das Mysterium der Zeit
ist nichts bekannt. Der Kunsthistoriker Tony Green (
Nicolas Poussin paints the Seven sacraments twice
, Edinburgh 2000) nennt ihn »vermutlich homosexuell«. Auch S. Morando, dem man die Herausgabe der
Lettere di Gabriello Chiabrera
, Florenz 2003, zu verdanken hat, erinnert an »Cassiano Dal Pozzos bekannte »Höflichkeit« gegenüber jungen talentierte Männern« (S. 343).
Der Eritreer, Rouvray, die Paracelsus-Mediziner
Wie Naudé in seiner nächtlichen Beichte Atto Melani erzählt, griffen er selbst und Cassiano ein, um den Druck des Buches des Eritreers aufzuhalten (vgl. I. Herklotz,
Cassiano dal Pozzo und die Archäologie des
XVII
. Jahrhunderts
, München 1999, S. 74 und ebd.,
Jean-Jacques Bouchard. Neue Spuren …
, op. cit.). Das vom Eritreer geschriebene und nie veröffentlichte Porträt Bouchards steht in der Vatikanischen Bibliothek: Genau wie im Roman zu lesen ist, enthält es nicht ein Wort über die erotischen Tagebücher, wie Ingo Herklotz beobachtet hat (
Ianus Nicius Erythraeus und Jean-Jacques Bouchard. Zur schweren Geburt einer neulateinischen Vitensammlung des 17. Jahrhunderts
, in: »Neulateinisches Jahrbuch«, 10 (2008), S. 145–176).
Herklotz kommt jedoch zu der falschen Schlussfolgerung, dass der Angriff auf Bouchard aus Rache geschehen war: Aufgrund eines erst kürzlich entdeckten Briefes (L. Ferreri,
A proposito dell’agguato e della morte di Jean-Jacques Bouchard
, in: »Bibliotheca, Rivista di studi bibliografici« 2002/2, S. 198–203) glaubt er, dass der unglückselige Franzose unter den Mördern von Rouvray, eines Knappen des französischen Botschafters d’Éstrées, war.
|772| Herklotz vernachlässigt eine wichtige Quelle über das Rom zuzeiten Bouchards (P. Blet SJ,
Correspondence du Nonce en France Ranuccio Scotti 1639–1641 )
. Die Dinge ereigneten sich folgendermaßen: Der unglückselige französische Philologe hatte Rouvray angezeigt, da dieser Inhaber eines anrüchigen Lokals war. Rouvray seinerseits hatte sich die Papstmacht zum Feind gemacht, weil er an einigen gewalttätigen, von d’Éstrées gedeckten Aktionen teilgenommen hatte. Er war in Abwesenheit verklagt und verurteilt worden, auf ihn war ein Kopfgeld ausgesetzt. Anstatt nach Frankreich zu fliehen, wie die Barberini (immer bereit zur Nachsicht mit dem Feind) es ihm heimlich angeboten hatten, flüchtete der Knappe auf Wunsch des stolzen d’Éstrées nach Frosinone, wo er sich trotz der auf seinen Kopf ausgesetzten Belohnung dreist in der Öffentlichkeit zeigte und sogar an Treibjagden teilnahm. Schließlich entführten und töteten ihn zwei Bauern und zeigten seinen Kopf vor, um die fette Belohnung zu kassieren. Nur in diesem sehr indirekten Sinn also konnte sich Bouchard vorwerfen, bei Rouvrays Tod eine Rolle gespielt zu haben.
Die Rekonstruktion der medizinischen und hypnotischen Behandlung, der Bouchard von Pierre Potier unterzogen wurde, basiert auf den im Gutachten enthaltenen medizinisch-historischen und psychiatrischen Angaben. Zu den Medizinern, die entscheidende Impulse zur Iatrochemie lieferten, zählen tatsächlich auch Pietro Castelli, Pierre Potier und Marc’Aurelio Severino, der, wie im Roman berichtet, auch ein Traktat über die Graphologie verfasst hatte, das heute leider verschollen ist:
Il Vaticinator
(vgl. C. Webster, M. Pelling, S. Mandelbrote,
The practice of reform in health, medicine and science 1500– 2000: essays for Charles Webster
, Aldershot 2005).
|773| ANHANG II
DIE ERFUNDENE ZEIT
Der Paria und die Leichtgläubigen
Bäume mit so ausladenden Zweigen, dass sie zehntausend Männer bedecken konnten; Anakreon, der sich an einer getrockneten Weinbeere verschluckte und starb, und der Senator Fabio, der an einem Haar in seiner Milch erstickte; Muzio Scevola, der sich aus Buße unbeirrt die rechte Hand in einer Kohlenpfanne röstet; Stürme, in denen es Blut, Fische und Steine regnet; Nero, der Rom anzündet und glückselig, von seiner Lyra begleitet, über den rauchenden Ruinen singt; Königin Kleopatra, die wie eine Hollywoodheldin vor Cäsar aus einem aufgerollten Teppich schlüpft, den ein Händler ihm vor die Füße gelegt hat, und ihn auf der Stelle schamlos verführt. Maecenas, der drei Jahre nicht schlief und Epimenides, der fünfzig Jahre schlief ohne aufzuwachen; Aischylos, der starb, weil ein Adler ihm eine Schildkröte auf den Kopf fallen ließ. Oder die berühmten Gesetze des Lykurg, der anstatt Gold- und Silbermünzen riesige Scheiben aus Eisen einführte, die man nur
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