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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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Die Antwort war einfach: In Anbetracht der aussichtlosen Lage hielten alle es für klüger, sich kampflos zu ergeben und darauf zu hoffen, dass man ihnen eine grausame Behandlung ersparen würde.
    Nach dem Sturz in den Ruderraum erhob ich mich sogleich, und mir schien, als seien meine Knochen sämtlich heil geblieben. Als ich mich unter die Ruderbänke duckte, hörte ich erneut Schreie. Dann folgte eine Reihe lauter Knalle an Steuerbord: eiserne Enterhaken bohrten sich fest in die Flanke des Schiffes. Der Rückstoß unserer Galeere nach dem Aufprall des Rammsporns ließ das Schiff ächzen, es klang, als bereiteten ihm die in sein Holz gebohrten Haken körperliche Schmerzen. Wir waren geentert worden.

DISKURS XII
    Darin man verschiedenerlei nützliche Dinge über die Korsaren der Barbareskenreiche erfährt, außerdem über ihre Methode, Schiffe zu entern und über die Lingua franca.
    Ein Hagel kleinerer Stöße an Steuerbord, wo wir gerammt worden waren, zeigte, dass nun hölzerne Bretter von einem Schiff zum anderen |97| gelegt wurden, damit die Piraten zu uns gelangen konnten. Es folgte ein Trommelfeuer aus Büchsenschüssen, und schließlich ließen das Siegesgeheul und Getrampel von zwanzig oder dreißig Männern die Decksplanken erzittern.
    Unwillkürlich fielen mir die Beschreibungen ein, die seit jeher über die beliebtesten Foltermethoden der Barbaresken im Umlauf sind: massenhaftes Erhängen an den Schiffsmasten; glühende Metallspitzen, in Brust oder Rücken gebohrt; die Kreuzigung, in Kombination mit dem Pfählen; die Haare der Gefangenen werden in Brand gesetzt; Geiseln werden in Kanonenläufe gezwängt und zerfetzen bei der Detonation in einer Wolke aus Blut und Eingeweiden.
    Innerhalb weniger Augenblicke waren die Angreifer näher gekommen, doch noch befanden sie sich weit über mir, da ich im Ruderraum unter einer Bank kauerte. Sie trugen die üblichen Turbane und weiße, weite Pluderhosen, oberhalb der Füße zusammengebunden, ein Hemd ohne Knöpfe mit zwei Schößen und einen Ledergürtel. Diesen Aufzug konnte man auch im Hafen von Livorno bei ihren Kameraden sehen, die Sklaven geworden waren. Natürlich trugen diese keine Schwerter, welche die gefangenen Barbaresken nicht mehr tragen durften, unsere Invasoren aber jetzt durch die Luft schwenkten, als sie sich des Schiffes bemächtigten.
    Unterdessen lichtete sich der Rauch aus den Brandflaschen ein wenig, und vor meinen Augen tauchten die mächtigen Segel des Piratenschiffs auf. Der Rammsporn hatte sich dreist über den Rumpf unserer Galeere gelegt, als kümmerte es ihn nicht, dass ihr armer Leib bereits mit Enterhaken gespickt war. Wie viel größer und imposanter als unsere Galeere war dieses Schiff mit seinem hohen Bug, den endlosen Reihen von Kanonen zu beiden Seiten und drei hohen Masten!
    Einer der ersten Korsaren an Bord unseres Schiffes, gedrungen und von kleinerer Statur als die anderen, schien Befehle zu geben und seine Männer auf der rechten und linken Seite zu verteilen. Als er, mit den Armen fuchtelnd, in meine Nähe kam, konnte ich ihn genau betrachten. Er war nach Art der Korsaren gekleidet, das Hemd bequem über der Hose hängend, und mochte etwa sechzig Jahre alt sein. Seine Haare steckten unter dem Turban, doch auf seinem Kinn spross ein auffälliger roter Bart. In der Linken hielt er einen Krummsäbel, dessen Griff vielfarbig funkelnde, fast blendend helle Reflexe aussandte: Es musste einer jener mit kostbaren Edelsteinen besetzten Säbel sein, |98| nach denen die osmanischen Korsaren verrückt sind. Es heißt, sie seien imstande ihr ganzes Leben lang in einem Raum ohne Bett und Möbel zu wohnen, wenn ihnen nur der edelsteingeschmückte Säbel nicht fehlt. Der Korsar hatte eine helle Haut, doch war sein Gesicht sonnenverbrannt und von tiefen Falten gefurcht. Der harte Blick der hellen, fast veilchenblauen Augen zeugte von zahlreichen Grausamkeiten, die er seinen Opfern zugefügt und auch selbst erlitten hatte.
    Meinen Ekel vor dem üblen Gestank der Brandflaschen überwindend, der Augen, Nase und Kehle reizte, gegen den die Angreifer jedoch unempfindlich schienen, spitzte ich die Ohren, um ein paar Brocken seines Geschreis zu erhaschen:
    »Faire vite! Mehmet, wo andar? Mustafa, kusch te!«
    Schneidend und rau war seine Stimme, wer weiß, welche Strapazen der Seefahrt sie verwüstet hatten. Er gab Befehle in der Lingua franca, die ich schon bei unseren Matrosen gehört hatte und die auch in den Barbareskenreichen gebräuchlich

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