Das Mysterium Des Himmels
weil er sein Messer an ihren Hals gelegt hatte und sie doch nicht sterben musste.
Sie stiegen den Hang hinab. Palmira blieb im Haus, während Amanda und Ekuos im Sternenlicht ihre Steinkreise so legten, dass sie den Sternenbildern glichen. Dann erst beschäftigten sie sich mit der Geflohenen. Amanda sprach mit Palmira, sie erzählte ihr von der Brutalität des Lebens in den Salzbergen und der bestialischen Behandlung durch Glenn und seine Leute. Palmira antwortete und berichtete, wie sich ihre unentdeckbare Schutzfee dem Boot genähert hatte und ihr sagte, sie müsse sofort aus dem Machtgebiet des Glenn fliehen.
Ekuos saß beim Feuer und dachte nach. Palmira musste sich wandeln, um den Häschern des Glenn entkommen zu können. Deshalb durfte sie ihren Namen nicht behalten. Sie war in den Berg gegangen und der Berggott hatte sie leben lassen. Die große Göttin lebte auf den Spitzen der Berge und so entschied Ekuos. »Wir werden dich von nun an Werena nennen. Du bist wie eine Frucht des Berges und dieser Name wird dich beschützen.«
Gemeinsam lasen sie am Morgen im aufkommenden Licht die Botschaft, dass sie sich nun auf das Fest der Wintersonnenwende vorbereiten sollten und es noch nicht entschieden war, ob die Götter nach dem Tod der Sonne ihre Wiedergeburt erlauben werden. Ekuos dachte an seine letzte Wintersonnenwende und ihm kam es so vor, als wäre sie erst vor wenigen Tagen begangen worden.
Ekuos fand Matu am Weg zum Ort hinab und gab ihm zu verstehen, dass einer wie der Glenn nicht weiterleben durfte. Die Gefahr, dass er den Göttern nicht gefiel, sie erzürnte und mit seinem Leben den Boden der Großen Mutter beschmutzte, war zu gegenwärtig.
»Ich werde ihn töten«, antwortete Matu und beugte sein Haupt.
Ekuos blieb an einer schräg abfallenden Wiese stehen und beobachtete die Menschen, wie sie die letzten Handgriffe an einigen neuen Häusern verrichteten, bevor der Winter jede Regung unterbinden würde. Der Ort wuchs mächtig nach allen Seiten und die Lagerhallen waren gut gefüllt. Er wollte in den kleinen Tempel zu Talale gehen und sie bitten, die weisen Frauen und Männer vom Tempelberg zur Wintersonnenwende für eine gemeinsame Vorbereitung des Festes zu gewinnen.
Es waren die Tiere, die als Erste den Winter fühlen und sich wärmende Höhlen suchen. Da lag einer wie schlafend im Graben. In der Nähe hatten Leute ein Kind in den Frost gelegt. Der Tote liegt auf dem Bauch und wird die Sonne nicht mehr sehen. Sein Gesicht ist an der Erde festgefroren. Nun wird es im Land noch kälter werden. Die Herumstehenden kehrten in die Häuser zurück, als Ekuos erschien. Das gestorbene Kind war noch sehr jung. Es kamen die ersten Opfer des Winters. Jeden Winter gibt es viele Tote, sodass die Menschen anfangen zu glauben, es wird niemand von ihnen übrigbleiben. Wenn die Verzweiflung am größten wurde, nahm gleichzeitig die Verehrung der weisen Frauen und Männer immer mehr zu. Aber auch sie konnten nur darum bitten, das Sonnenlicht möge die Erde wärmen, damit sie erwachte und den Menschen Essen gab. Im Winter galt es, dem Tod zu entkommen. Die Mühsal der Arbeit auf den Feldern und in den Orten war nichts gegen den Hunger.
Ekuos klatschte in die Hände und die Leute traten wieder vor ihre Häuser. Alle schauten wie Schafe in einer freudlosen Herde. Ohne zu reden, sagte ihnen Ekuos, was sie mit den Toten zu tun hatten. Die Große Mutter Erde nahm sie alle auf.
8. Das goldene Kind
Talale die Seherin hatte sich in einen dunklen Winkel des kleinen Tempels zurückgezogen und lauschte zum Himmel hinauf. Sie aß nichts mehr. Nachdem sie das Hungergefühl überwunden hatte, störte der Körper nicht mehr ihre Konzentration. Aber sie kam kaum über das hinaus, was sie bereits zum Totenfest gesehen hatte. Die Nächte waren dunkler und die Tage heller geworden. Als sie mit den Menschen zum Fest der Toten bei den Gräbern gewesen war, verließen sie die geschmückten Begräbnisstätten erst wieder, nachdem man die Verstorbenen gebeten hatte, sich vor ihrem Erscheinen in den Häusern der Lebenden körperlich und akustisch bemerkbar zu machen. Dabei war ihr aufgefallen, wie wenig die Menschen sich mit den Dingen zwischen Himmel und Erde noch wahrhaftig beschäftigten. Der Tag gab ihnen das Licht, um in den Wäldern nach Essbarem zu suchen, die Pflanzen wachsen zu lassen und die Tiere zu mästen. Für die Nacht gab es für sie den Schlaf, mehr galt für sie nicht. Sie spürten nicht mehr dem nach,
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