Das Mysterium Des Himmels
hatte, länger als es seine Sippe gab. Deshalb musste er erkennen, dass die Götter etwas vorhatten mit ihm, denn sonst hätte er Rosmerta nicht aus dem Berg kommen sehen. Die weisen Frauen werden nicht alt, denn sie essen von der Götterspeise aus den Wäldern und trinken von der Milch der Erkenntnis. Eines Morgens stürzte Ekuos von einem Felsen und blieb zerschmettert auf einem Wiesenstück liegen. Da kam Kida die Wölfin, deren Leben Ekuos einst gerettet hatte, und sie trug ihn zu Rosmerta. Jeder hätte sehen können, wie seine Haut alterte und seine Haare grau wurden, also würde er bald sterben müssen und so erzählte er Kida von seiner bevorstehenden langen Reise. Da begann die Wölfin zu heulen. Aber Rosmerta war keine Weise, die sich einfach rufen ließ. Ekuos lag da wie ein erschlagener Ochse und hielt die Hände schützend vor sein Gesicht. Er war nass und ihn fror. Unterhalb des Rippenbogens sah man die Wunde, die wieder zu bluten begonnen hatte. Offenbar war dort ein spitzer Felsen entlanggeglitten, ohne in den Körper einzudringen. Der Schnitt in die Haut war aber so stark, dass sich die Wunde von allein nicht mehr schließen würde. Ekuos begriff, dass auch die kleinste Wunde nicht ewig bluten durfte. Aber Rosmerta kam.
›Ekuos hat Schmerzen‹, sagte Ekuos.
›Weißt du, wie lange das Blut schon aus ihm herausrinnt?‹, fragte Rosmerta und griff tief in einen Beutel, den sie sich umgehängt hatte. ›Dein Körper soll das trinken. Es ist Lavendel, vermengt mit ein wenig Bilsenkraut, das wird ihn ruhig werden lassen. Die Wunde muss anders behandelt werden.‹
Sie zog ihn über die Mooswiese und legte seinen Kopf nach Osten.
›Wann seid ihr auf die Feinde gestoßen?‹, fragte Ekuos, weil die Wolke über ihm nicht mit der weisen Frau sprechen konnte. Die Zunge lag ihm schwer wie ein Stein im Mund und kein einziges Wort kam ihm in den Kopf. Er hörte, wie die Wolke zu ihm sprach, aber nicht, was sie ihn fragte. Bei Rosmertas Worten konnte er nicht mehr antworten.
›Noch zwei, drei Nächte‹, antwortete die Wolke und Ekuos dachte, dann wäre sein Leben zu Ende.
Rosmerta drückte ein befeuchtetes Tuch, in dem sich etwas Weiches befand, fest auf die Blutung. ›Es ist Wundklee, von meiner Hand gepflückt und von der Göttin zu diesem Zweck zur Heilung von Verletzungen bestimmt.‹
Ekuos nickte.
›Und du‹, sie sah Ekuos wieder direkt in die Augen, ›wirst mit niemandem von mir sprechen.‹
Wieder nickte Ekuos nur.
›Ich werde bei der Quelle hier wachen und dich nicht unbeobachtet lassen. Was mit dir geschieht, werden die Götter wissen und bestimmen. Dein Körper kann sterben, Ekuos nicht.‹
Dann setzte sie sich auf eine breite Moosflechte und zeigte mit dem Finger in den Nebel. ›Du wirst nun diesen Ort verlassen und niemals zurückkehren.‹
Ekuos wusste nicht, mit wem Rosmerta sprach. Vielleicht mit den Feen vom unheimlichen Berg? Sie griff in die Luft und legte Ekuos einen flachen Stein auf die Brust. Sofort wurde sein Körper gewärmt wie an einer heißen Herdstelle. Endlich schlief er ein und als er wieder erwachte, da waren seine Wunden nicht mehr der Rede wert und er konnte wieder jener sein, der er damals war: Ekuos der Hirte. Doch was mit ihm geschehen war, das hatte er vergessen.«
Jantumara endete und griff mit einer Zange nach Steinen, die im Feuer lagen, legte sie auf eine Decke, die sie mehrfach ineinanderfaltete, und setzte sich auf das wärmende Stoffpaket.
Amadas hatte aufmerksam zugehört und er fragte sich, ob von dem anwesenden Ekuos die Rede war. Es hätte auch möglich sein können, dass diese Geschichte von einem anderen Ekuos und einer weiteren Rosmerta handelte, deren Namen man auf die ihm bekannten Personen übertragen hatte. Er sah zu Ekuos hinüber, der sich nicht regte.
Ein Junge sprang herein und flüsterte Quintus Tessius etwas ins Ohr. Der machte eine ernste Miene und sah in die Runde. »Männer des Glenn haben Palmira aus Boiodurum hierhergeführt und sie soll nach Hall gebracht werden.«
Jedem der Anwesenden war sofort klar, was das für Amanda bedeuten musste, wenn die wahre Palmira zu Glenn gebracht wurde. Während Irscha, Matu und Amadas erwarteten, dass sofort etwas dagegen unternommen wurde, blieben Talale und Ekuos vollkommen ruhig. Wie kann man unter diesen Umständen nur dermaßen gleichgültig sein? Amadas dachte es, aber er sprach es nicht aus.
Während Talale zu dem kleinen Tempel am Fuß des Berges hinüberging, wanderte Ekuos zu dem
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