Das Mysterium Des Himmels
Mit immergrünen Zweigen in den Händen sprangen einige sogar durch das Feuer. Erst als die Hasen zum Verzehr hergerichtet wurden und Eierschalen im Boden vergraben worden waren, machte sich Ekuos auf den Weg. Der Frühling war nun endgültig von den Toten auferstanden und wiedergeboren worden. Rosmerta hatte ihm Amanda an die Hand gegeben.
»Dein Körper wird eines Morgens nicht mehr erwachen, wenn sie dich nicht wärmt«, sagte Rosmerta zum Abschied zu ihm.
Ekuos blickte noch einmal zurück auf Matu, Atles und Werena. Amadas verließ den Platz mit dem Schneider, der Frau und ihrem Kind in Richtung Hall. Bevor sich die Bäume im Nebel verloren, blieb Ekuos stehen. Er versuchte, im Kreis zu laufen, um festzustellen, wie gut der Schutz durch die Bäume und Sträucher noch war. Als er sah, dass sich das Holz lichtete und nur noch einzelne Sträucher Schutz boten, lief er wieder zurück bis zum Rand der Waldung. Dort ließ er die Tiere anhalten, legte ein Fell auf den Boden und gab Amanda ein Zeichen, von nun an zu schweigen und sich hinzusetzen. Dieser Aufforderung kam sie sofort nach und hockte mit geschlossenen Augen auf dem Fell. Der Eber lief unruhig das Gebiet nahe dem Waldsaum ab, bevor er sich eine Grube schaufelte und danach aufmerksam die Ohren spitzte. Durch den starken Nebel war die Luft sehr feucht und zog durch die Kleider auf die Haut. Es war eine ungemütliche Situation. Wo war der Tag? Ekuos wischte sich über die Lider. War etwas geschehen mit der Welt? Wozu sollte es eine Welt geben, in der es keine Sonne gab und man nur noch graue Nebel sah? Sollte er ein Feuer machen? Nein, dachte Ekuos, er hatte sich in das zu fügen, was der Himmel und die Götter ihm zuwiesen. Er überlegte, was Rosmerta mit diesem beschwerlichen Weg für Amanda und ihn im Sinn hatte. Würde er nicht doch besser allein den Berg hinaufsteigen?
Es war ein sanftes Pfeifen in der Luft. Zunächst glaubte Ekuos an fliegende Wesen, die sich fröhlich in den Nebeln bewegen konnten und deren Namen man besser nicht aussprach, wollte man vermeiden, dass sie einen in die andere Welt mitnahmen. Schnell wurde das Geräusch stärker und es klang wie ein riesiger Fächer, den man durch die Luft schwang, um ein Feuer kräftig anzufachen. Endlich löste sich das Rätsel und Ekuos sah einen Schwarm Gänse, die direkt neben ihm vorüberflogen. Durch ihre kräftigen Flügelschläge zerriss der Nebel und Ekuos schaute hinunter auf den Fluss, der in einiger Entfernung von ihm still und eilig durch das Land zog. Dahinter begann sich das Land zu öffnen. Er schaute in die Richtung, die Mond und Sonne bei ihren Reisen als Letztes berührten, bevor sie sich in die andere Welt begaben. Oft hatte er Männer und Frauen beobachtet, wie sie voller Sehnsucht in diese Richtung schauten. Einmal hatte er den weisen Lehrer gefragt, warum ist das so, und der hatte ihn lächelnd zu einem kleinen Hügel geführt. ›Siehst du dort‹, hatte er erklärt, ›das ist die Richtung, aus der Sonne und Mond uns besuchen kommen.‹ Dann hatte er mit den Armen einen schwungvollen Bogen in die Luft gezeichnet und seine Augen in die entgegengesetzte Richtung gelenkt. ›Dort verabschieden sich Sonne und Mond von den Menschen, die hoffen, dass sie bald wieder erscheinen mögen. Es ist so, dass zu allen Zeiten Menschen gedacht haben, sie müssten einmal mit der großen Sonne mitreisen oder sich aufmachen, die lange Reise anzutreten. Es ist in uns. Nie werden wir Ruhe finden und es immer wieder versuchen. Aber bisher hat niemand den Platz gesehen, an dem sich Sonne und Mond ausruhen, wenn sie uns verlassen haben.‹
Ekuos hatte lange über diese Worte nachgedacht und sich entschlossen, eine Frage zu stellen. Werden wir einmal der Sonne nachreisen?
Es gab keine Gänse in der Luft. Sie waren nur in seinem Kopf, aber dieses sanfte Pfeifen war noch immer zu hören. Ekuos wurde durch die Gänse an den weisen Lehrer erinnert und nun hatte er seine Antwort. Er war mit Amanda auf dem Weg in das Land des Lichts. Es gab keinen anderen Grund dafür, dass sie hier waren und warteten. Wenn er manchmal in die Augen der Menschen schaute, wie sie voller Sehnen der Sonne hinterhersahen, konnte er sich die Antwort selbst geben. Die Menschen werden immer voller Unruhe sein, weil sie niemals ihren Lebensweg kennen werden. Und so bleiben Sonne und Mond die großen Wanderer und die Menschen warten auf die Antwort.
Ekuos drehte den Kopf in die Richtung, in die die Gänse geflogen wären, hätte es
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