Das Mysterium Des Himmels
schämen. Sie schaute zu Matu und Amadas hinüber, die sich mit dem Dach abmühten, während Amanda immer wieder zu dem Pfad ging, über den Ekuos in den Berg verschwunden war.
Als Rosmerta mit drei weisen Frauen erschien, wurde die Arbeit unterbrochen. Es war so weit, sich auf das Fest zu konzentrieren. Rosmerta ging mit Amanda, die Ekuos nicht entdeckt hatte, an den Menschen und Bauten vorüber und strich mit grünen Zweigen über sie hinweg. Mit gesammelten Eiern und dem symbolisch hochgehaltenen Hasen, der aus Gras und Stoff angefertigt war, wurden die Götter um Fruchtbarkeit für Mensch, Tier und Land gebeten. Es sollte ein fröhliches Fest werden, doch der Schrei der schwangeren Frau unterbrach die Feier. Zwei der weisen Frauen bedeckten ihren Kopf und die Münder, dann führten sie die Schwangere von den anderen fort. Die Frau beruhigte sich wieder.
»Wo hat sich dein Leib offenbart?«, fragte eine der weisen Frauen.
»Es muss in einem Birkenhain gewesen sein. Wir Frauen suchten nach Pilzen, als ein Licht über dem Himmel erschien und genau mich traf. Bald darauf spürte ich, dass die Götter mir etwas in den Leib gegeben hatten.«
Die weisen Frauen nickten sich zu und brachten die Schwangere zu einem Birkenwäldchen, das sich direkt bei einem Gebirgsbach befand. Sie kochten ihr ein Getränk aus Weidenbaumrinde, welches die Schmerzen lindern würde und rieben ihr den Bauch mit Balsam aus Kastanie, Kampfer und Kamille ein, die den Vorgang der Geburt einleiten sollte. Während eine der Frauen bei der Schwangeren blieb, überprüfte die andere die Umgebung. Keine Augen sollten auf der Frau ruhen oder gar die Geburt des Kindes sehen, denn nur so konnten der böse Blick und der Fluch gegen das Neugeborene verhindert werden. Sie traf bei ihrer Suche auf Ekuos, der sie aber nicht zur Kenntnis nahm und völlig in seine Gedanken verstrickt vorüberlief. Fast wäre er zuvor über eine steile Klippe in die Tiefe gestürzt. Etwas hatte ihn beim Abstieg abgelenkt. Es war, als rumorte es im Berg, er schien zu wanken und zu beben. Es war ihm, als würde jemand mit regelmäßigen Schlägen auf ein Eisen hauen. Es klang für ihn, als müsse gleich darauf der Riese vom Berge erscheinen. Doch es war noch nicht um Mitternacht. Es hieß, der Riese erschien nur um Mitternacht und würde dann die Bergspitze erklimmen und die Götter bitten, ihn aus dem Berg zu lassen, hinaus in das Land, und dafür würde er alles Gold und alles Silber geben, das ihm seine Zwerge aus dem Berg geschlagen hatten. Aber das war es nicht, was Ekuos wanken ließ. Er hätte den Fehltritt fast getan, weil er diesen betörenden Gesang gehört hatte. Die hellen Stimmen lockten ihn und er wollte zu ihnen. Vom Himmel hatten sich graue Wolken abgesenkt und ihm den Blick zum Tal verwehrt. Er konnte nur noch zu der Stelle schauen, von wo der herrliche Gesang zu ihm kam. Und dann sah er sie. In lange weiße Gewänder gehüllt, saßen die Feen auf einem Felsen, sangen und winkten ihm zu. Da wäre er fast hinübergestiegen, aber der Wind blies ihm ins Gesicht und die Bilder waren verschwunden, noch bevor er den tödlichen Schritt tun konnte. Ekuos lief und lief, bis er den Wald erreichte, am Bergbach entlangging und endlich im Lager ankam, wo Matu soeben seine gefangenen Hasen auslegte. Ekuos sah sich um, denn aller Augen waren auf ihn gerichtet. Sofort verschwand er in der Hütte und hockte sich an die Feuerstelle. Er hatte den Mond gesehen und die grell leuchtenden Sterne hatten ihn überrascht. Dann kam der helle Tag und die Nacht war versunken. Der Gesang der Elfen hätte ihn fast in das Verderben gestürzt. Danach sah er einen Strom aus fließenden Wolken in der Sonne verschwinden und in ihm reifte eine Entscheidung. Sie mussten das Gebiet verlassen und das Land des Lichts suchen.
Amadas fasste sich als Erster wieder. Der noch junge Mann Ekuos hatte vom Berg schneeweiße Haare mitgebracht. Seine Kleidung war verschlissen und man konnte an den Armen und Beinen Erfrierungen erkennen. Nun stand seine Abreise im Zentrum seiner Gedanken. Er wollte sich einfach dem Schneiderpaar anschließen und mit ihnen hinüber nach Hall gehen, um von dort über die Berge den Süden zu erreichen. Amadas fühlte sich alt und müde, außerdem gefiel ihm dieser Ort absolut nicht. Der Berg war ihm unheimlich, ebenso diese merkwürdigen Frauen aus dem Wald, die ihre Gesichter mit brauner Erde tarnten. Dazu kam, dass Matu ihm die Schuld am undichten Dach gegeben hatte und sich
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