Das Mysterium Des Himmels
warteten ebenfalls. Ekuos dachte darüber nach, warum sie eigentlich nicht fortliefen. Vielleicht hielten die Götter für sie alle hier an dieser Stelle das Ende bereit. Eine Nacht und ein Tag folgten. Eine weitere Nacht warteten sie und ein neuer Morgen kam. Aus der Ferne klang der Fluss nun anders als zuvor. Bedrohlicher und feindlicher, wie ein gefährliches und unberechenbares Tier.
Ekuos wollte nicht mehr warten. Er stieg den Berg hinauf und gelangte zu einer Höhle. Er zuckte zusammen, als der Eber neben ihm auftauchte und in diese Höhle rannte. Ekuos wartete, aber das Tier kam nicht zurück. Also lief er tiefer in den Berg hinein und sah steil über sich einen Lichtschein. Mühsam kletterte er über glattes Gestein und in mattem Licht durch den Berg nach oben. Wie konnte der schwergewichtige Eber dort hinaufkommen? Auf halber Strecke fand er einen Seitenweg. Das Gestein zeigte deutliche Spuren von Werkzeugen. Diesen Weg hatten Menschen geschlagen. Ekuos tastete sich an der kalten Wand nach oben und stand mit einem Mal wieder im Freien. Er sah sich um. Der Eber wühlte am Rand eines dünnen Bachlaufs. Vielleicht war er bereits einmal hier oben gewesen? Das Licht blendete Ekuos. Der Wind brachte dunklere Wolken mit. Zu seiner Verblüffung stellte Ekuos fest, dass der Fluss viel Wasser trug und schneller zu fließen schien. Das Wasser stieg weiter an, wischte bereits über die dicken Kiesel am Ufer und würde gleich die ersten Gräser erreichen. Der Himmel hatte sich zu einer Entscheidung durchringen können. Ekuos sah, wie ein Mann in einem Kahn stehend den Fluss hinabtrieb. Gleich würde er kentern und ertrinken. Es dauerte nicht lange, denn die starke Strömung ließ das Boot eilen. Kurz darauf warf das Wasser den leblosen Körper auf die Kiesel am Fluss. Ekuos sah, wie der Kahn aus dem Wasser hervorschoss und ebenfalls ans Ufer gespült wurde. Trotz dieses Anblicks blieb Ekuos beherrscht. Er blickte zum Himmel. Er wollte nicht hinüberschauen zum Herrn Tod, den er bereits unter jenem Baum gesehen hatte, in dem Atto den erschlagenen Feind eingeflochten hatte. Wieso hatte der Tod diesen Kahn an das Ufer geschickt? Das war ein Gedanke, den er nicht haben durfte. Der Tod saß am Ufer und hatte die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Wer mochte der Tod im früheren Leben gewesen sein? Vielleicht ein einfacher Bauer, der nun im anderen Leben unruhig umherziehen musste. Ekuos dachte an den ersten Toten, den er gesehen hatte.
›Wir werden den Kopf des Feindes auf einen Birkenstamm stecken und den Baum am Fluss in den Boden eingraben. Lass das Tuch über dem Gesicht, damit man von der hinteren Flussseite aus nur ahnen kann, was auf dem Baumstamm steckt‹, hatte Ekuos zu Matu gesagt, der den Feind erschlagen hatte. ›Nimm eine Birke, die bereits am Boden liegt und deren Seele schon in der anderen Welt ist. Entferne die Äste und stecke den Kopf auf die Spitze.‹
Matu tat, wie ihm geheißen und verlor bei der Arbeit kein Wort. Da stand dann die Birke am Ufer eingegraben, mit dem Kopf des Feindes auf der Spitze. Sie war noch eine Armlänge höher als Atto, und der war schon von beachtlicher Größe. Der Wind zerrte an dem Tuch, das über dem Gesicht des Toten hing. Ekuos konnte sich vorstellen, was in den Feinden vorgehen würde, wenn sie ihren Bruder so sehen mussten.
Ekuos schaute auf den Eber, der sich nicht von der Stelle rührte. In der Ferne, bei der Biegung des Flusses, hatte es zu regnen begonnen. Ekuos blickte zum Himmel. Über ihrem Platz war es ein wenig heller als dort oben. Er ging zurück und fand Amanda in unveränderter Haltung vor. Die Tiere schauten ihn an und zeigten wenig Lust, sich unnötig zu bewegen. Die Futterplätze waren mehr als dürftig ausgestattet. Ekuos konzentrierte sich auf die dunklen Wolken. Es geschah aber nichts, außer dass der Nebel stärker wurde und den Himmel noch weiter verdüsterte. Es schien so zu sein, als werde der Himmel bald auf die Erde stürzen müssen, so tief hingen die Wolken. Ekuos wunderte sich nicht über die unterschiedlichen Wetterverhältnisse. Das lag nicht in seiner Hand, also nahm er es hin. Er musste in sich gehen und nachdenken. Hier fehlte ihm die Möglichkeit, die Dinge richtig zu beurteilen und den Willen der Götter zu erkennen. Also kehrte er wieder um und ließ die Herde noch tiefer im Wald zurück. Amanda wies er einen Platz seitlich des Waldsaums zu, wo sie ihn nicht mehr sehen konnte.
Ekuos tastete sich durch den Nebel und die aufkommende
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