Das Mysterium Des Himmels
trank. Er fühlte sich müde, aber etwas hielt ihn davon ab, einfach so einzuschlafen. An den Wänden huschten Ratten entlang. Sie mieden das Feuer und die Menschen, aber Amadas konnte diese Nager nicht in seiner Nähe ertragen. Anscheinend hatten sie den Kopf des Toten entdeckt und überlegten sich, wie sie an ihn herankommen konnten.
Draußen ging ein Platzregen nieder und es tropfte durch die Decke. Einige Tropfen fielen in das Feuer und zischten. Amadas wollte sich nach einem Rattenfänger erkundigen, unterließ es aber. Wer sollte das hier sein können? Draußen schrie ein Vogel so laut, dass sich alle zu dem Rufenden umdrehten, obwohl die Mauer des Gebäudes keinen Blick hinaus zuließ. Was war das? Amadas schaute sich um und sah in lauter erschreckte Gesichter. Jemand flüsterte: »Der Vogel des Todes. « Dann wieherten Pferde beunruhigt, wie man es hören kann, wenn ein Bär in ihre Nähe kommt.
»Die Nacht geht immer dem Tag voraus«, sagte die Frau hinter dem Feuer, das Fischmesser noch in der Hand. »Man erzählt sich, dass mancher sich schon locken ließ vom Ruf des Vogels und den Weg in die Anderswelt antrat, ohne gerufen worden zu sein.«
Die Leute wollten von solchen Reden nichts hören und manche warfen Steinchen nach der Frau. Sie lachte darüber. »Nur die Götter wissen, wie mühsam es ist, mit solchen Ochsen leben zu müssen, wie ihr es seid«, sagte sie.
Amadas spürte, wie sich die Frau neben ihm, die gerade erst ein Stück Fleisch verschlungen hatte, mit dem Rücken an ihn lehnte, um gemütlich in den Schlaf zu sinken. Daraufhin konnte er nicht anders, als sich ruhig zu verhalten. Er träumte einen schrecklichen Traum davon, zu verhungern. Alles Unbehagliche und Unverträgliche, auch alle Ratten und Mäuse in diesem Haus, schienen ihm um vieles besser zu sein, als langsam am Hunger zu sterben. Amadas erwachte und Tränen liefen ihm über das Gesicht. Er hatte während des Traumes geweint.
6. Anam Cara – Der Seelenfreund
Sie war eine wahre Schönheit.
Amadas sah die Tochter der Kij und lief auf das Stadttor zu. Sie stand vor vier kleinen und wendigen Wagen, die noch beladen wurden. Über die Schultern trug sie einen Überwurf aus dunklem Stoff und um den Kopf ein helles Tuch. Die aufflammende Sonne verhieß den Reisenden einen schönen Tag. Nur der Boden war vom Regen noch aufgeweicht und unangenehm zu begehen. Aber er duftete intensiv und warm. Seine zwei Aufpasser liefen zu den Wagen hinüber und schwangen sich auf die bereitgehaltenen Pferde. Noch ging es nicht hinaus, denn das Tor blieb geschlossen, doch immer mehr Wagen sammelten sich und bald begann ein unüberhörbares Grummeln. Die Meute wollte sich eilig auf den langen Weg machen. Amadas bemerkte, dass die Frau vom Feuer und den gebratenen Fischen, die nur sich das Fleisch gönnte, direkt neben ihm stand.
»Vor nicht allzu langer Zeit fuhr ich über den Fluss und ein Mann stürzte hinein. Wir überließen ihn der Flussgöttin. Von da ab hatten wir nur noch eine sanft treibende Strömung und kamen völlig unbehelligt an unser Ziel. Ich kann dir nur sagen, wenn du auf dem Schiff bist, rührst du dich besser nicht vom Fleck. Wir haben Waren der Kij zu befördern, deshalb müssen wir dich mitnehmen.«
Amadas hörte die Worte und empfand sie wie eine Drohung. Seine Fantasie reichte aus, um sich eine Szenerie vorzustellen, in der er die Fluten der Danau kennenlernen würde, also wollte er sich keiner Träumerei hingeben, wenn er auf dem Schiff war. Das Tor wurde endlich geöffnet und die Wagen fuhren hindurch, ihnen folgten die Reiter und erst dann durfte das Fußvolk die Stadt verlassen.
»Siehst du den Schiffsmann an der Anlegestelle? Er trägt das geschmiedete Eisenstück in der Hand. Sein Boot ist nun für einige Zeit dein Zuhause.« Die Frau schob ihn über den Weg und Amadas hatte ein ungutes Gefühl. »Wenn du bei uns bleiben willst, sprich kein Wort über die Tochter der Kij. In unseren Kreisen mag man sie nicht.«
Die Frau sprang mit einem Satz auf das Schiff und Amadas konnte seine Freude kaum unterdrücken, als er Quintus Tessius auf den Planken entdeckte.
»Sieh an, der edle Herr Irscha«, sagte Amadas.
Der Angesprochene lächelte kurz und sortierte weiter in seinen Körben herum. »Die Schmiede haben mich um mein ganzes Geld gebracht«, stöhnte er. »Aber ihre Waren sind bis weit hinter den Bergen sehr begehrt. Vielleicht wird es so sein, dass ich mir in der Zukunft einen Überwurf, ein Bett und einen Becher
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