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Das Mysterium: Roman

Das Mysterium: Roman

Titel: Das Mysterium: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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Mädchen gaben ihnen Apfelstücke. Die Affen zerbissen sie mit offenem Mund.
    Die Menschen! Auch hier im Hof gingen sie wie Pfauenvögel umher. Ihre Gesichter strahlten Erhabenheit aus, er sah ein Glück
     widerstrahlen von ihrem Blick, das den wenigsten auf Erden beschieden war. Der Kaiser schien die glücklichen, herausragenden
     Menschen aus aller Herren Länder anzuziehen. Gesang ertönte von einem Fenster her, dazu Harfenklänge. Niemand achtete darauf.
     Die Musik gehörte zum Kaiserhof wie die Tiere.
    Erst auf den zweiten Blick machte Nemo den Kaiser aus. Er war umgeben von Männern und Frauen. Waren das die Gesandten aus
     England? Sie hatten Eduards Tochter Johanna mitgebracht, eine fünfjährige Prinzessin. Im Notfall war es das Wissen um solche
     Einzelheiten, das ihm den Hals rettete. Oft half nichts anderes, als aus dem Stegreif eine neue Person darzustellen, und dafür
     brauchte er Hintergründe. Die Prinzessin würde für drei Jahre hier in München leben, um von der Kaiserin erzogen zu werden.
     Kaiserin Margarete war ihre Tante, so hatte er in Erfahrung gebracht. War eines der beiden Mädchen am Brunnen die englische
     Prinzessin? Das linke der beiden mußte Elisabeth sein, die siebenjährige Kaisertochter. War die andere also Johanna?
    |43| Der Kaiser lachte und schlug einem Mann auf die Schulter. Mit seinem rotblonden Haar wirkte der Kaiser jünger, als er eigentlich
     war, nie und nimmer rechnete man ihm vierundfünfzig Jahre zu. Die Umstehenden behandelten ihn mit Ehrfurcht. Schwanenfell
     schmückte sein Obergewand, der weiße Flaum zitterte im Windhauch. Das Schwanenfell war den Fürsten vorbehalten. Es handelte
     sich um die abgezogene, nach einem geheimen Verfahren bearbeitete Haut der Schwäne samt Flaumfedern, die als kostbarer Besatz
     oder als Innenfutter verwendet werden konnte.
    In der Nähe des Kaisers stand Konrad Groß, ein Nürnberger Kaufmann, der wichtigste Kreditgeber des Hofs. Er redete mit dem
     kaiserlichen Leibarzt, Doktor Marsiglio Raimondini von Padua.
    Nahe den Löwenkäfigen erging sich die alte Gräfin Giselberga, eingehakt bei ihrem Kammermädchen Adeline. Im lichtblauen Mantel
     wirkte Adeline wie eine Märchenfee. Nie hatte sie bezaubernder ausgesehen. Wie ungehobelt er ihr erscheinen mußte in seinem
     schmutzigen Kittel! Sie kannte ihn nicht, wußte nicht, daß er ihr nachforschte, schon seit Monaten.
    »Was stehst du hier herum?«
    Der Hofmeister. Rasch senkte er den Blick, sah betreten zu Boden. »Ich –«
    Der Hofmeister hob das Tuch vom Korb. »Brote bringst du? Reichlich spät, Kerl. Schaffe sie dort hinüber in die Küche. Danach
     meldest du dich beim Speisemeister für die Bezahlung. Verdient hättest du nichts! Die Brote sollten bei Morgengrauen da sein!«
    Nemo beeilte sich, den Hof zu überqueren. Am Brunnen hörte er das kleinere Mädchen sagen: »Sweet little ape! Want my apple?
     Eat my apple?« Die Tochter des englischen Königs fütterte unerschrocken die Bestien.
    Er betrat das Küchenhaus. Hier schritt niemand ruhig aus, niemand wiegte sanft die Hüften beim Gehen. Küchenjungen und Köchinnen
     hasteten durcheinander, schnitten mit flinken |44| Messerhieben Birnen in feine Schnitzel, schälten Zitronen, zerstampften Gemüse. Es roch nach geröstetem Fleisch, so verlockend,
     daß sich sein Gaumen zusammenzog. Fasane mit öliger Kruste standen dampfend auf einem Tisch. Ein Koch und zwei Küchenjungen
     steckten ihnen die Federn wieder an. Daneben zerhackte eine Magd Petersilie.
    Nemo stellte den Korb mit den Broten ab. Er trat in eine Vorratskammer und zog sich den Kittel über den Kopf. Mit dem Fuß
     schob er ihn hinter ein Faß. Dann nahm er den silbernen Ring aus dem Mund und steckte ihn sich an den Finger. Er reckte die
     Schultern, fuhr sich durch die Locken. Das saubere Hemd, das er unter dem Kittel getragen hatte, strich er glatt. Er übte
     einen forschen Blick, räusperte sich, trat nach draußen.
    Ohne Verzug, mit straffem Schritt, näherte er sich dem kaiserlichen Leibarzt. Der Kaufmann Groß, der mit ihm sprach, unterbrach
     seine Rede und musterte den Neuankömmling. Auch Doktor Marsiglio Raimondini wandte sich ihm zu. »Ihr wünscht?«
    »Verzeiht die Störung. Mein Name ist Heinrich Pfanzelter. Ich suche William Ockham.«
    »Vergeßt es. Der Engländer wird Eurer Einladung nicht folgen.«
    »Wie meint Ihr das?«
    »Nun, seid Ihr nicht hier, um ihn irgendwohin einzuladen? Seht Euch doch um! Eine englische Gesandtschaft ist zu Gast.

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