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Das Mysterium: Roman

Das Mysterium: Roman

Titel: Das Mysterium: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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daß ihr das Zögern der Bracke guttat. Der Hund mochte sie.
     Er wollte lieber mit ihr gehen.
    »Knochen, hierher!« donnerte der Hundeführer erneut. Der Hund zuckte zusammen und gehorchte dem Ruf.
    Lächelnd drehte sich Adeline um. Sie trat durch das Tor auf die Straße. Der Regen füllte erste kleine Pfützen auf. Sie mußte
     sorgfältig auf ihre Schritte achten, sonst würde sie hineintreten und das Dreckwasser an den Saum ihres guten blauen Kleides
     spritzen.
    Im Wassergraben schwammen Enten. Sie schien der Regen nicht zu stören. Um sie herum malten die Tropfen Kreise auf das Wasser,
     Hunderte von Kreisen, unaufhörlich.
    Am Eingang zum Kaiserhof gab es ein Handgemenge. Die Wachen in ihren gelben Waffenröcken bogen einem jungen Mann die Arme
     auf den Rücken. Wieder einer dieser aufdringlichen Bittsteller. Sie erwarteten, daß der Kaiser ihre kleinen, persönlichen
     Wünsche erfüllte, für alles und jedes machten sie ihn verantwortlich und dachten überhaupt nicht |108| daran, daß er auch nur
ein
Mann war, ein einzelner Mensch. Wie sollte er die Schwierigkeiten von aber Tausenden Untertanen lösen, jeden anhören, jeden
     beschenken, retten, reich und glücklich machen? Er mußte sich um ganze Länder kümmern, um Völker, Städte, Meere. Es war gut,
     daß sie die Bittsteller am Tor zurückwiesen.
    »Ich will nicht zum Kaiser«, rief der Jüngling. »Ich möchte zu Amiel von Ax!«
    Die Wachen stießen ihn von sich. Er landete hart auf der nassen Straße. »Was glaubst du, wie oft wir diesen Kniff hören. Erfundene
     Namen, erfundene Botschaften, nur um an den Hof zu kommen.«
    »Amiel von Ax ist nicht erfunden, er ist hier in München.« Feiner Flaum hing dem Jüngling am Kinn. Das Haar war leicht und
     dünn und zu einem Zopf gebunden. Er strahlte Ernsthaftigkeit aus, trotz der Schlammflecken, die jetzt sein Gesicht verunzierten.
     Wie ein Betrüger sah er nicht aus.
    »Dann suche ihn woanders. Hier am Hof ist er nicht.«
    Der Jüngling stand auf.
»Velha malnada!«
Es mußte ein Fluch sein. »Der Mann ist in Gefahr. Ich bin hier, um ihm zu helfen! Ihr tragt die Schuld, wenn ihm etwas zustößt.«
     Er stampfte davon.
     
    Vizenz schob hastig das Schriftstück unter den Stapel frischer Pergamente. Die Laien brauchten nicht zu wissen, daß er sich
     die päpstliche Vollmacht zur Verfolgung und Verurteilung von Ketzern ansah. Sie war ja vermutlich nicht einmal vom Papst gesiegelt
     worden, das erledigte seine große Kanzlei. Aber dieses Schriftstück gab ihm, Vizenz, Würde. Es war die Grundlage seiner Arbeit.
     Jeden Tag betrachtete er es, und wenn er es in der Hand gehabt hatte, fühlte er sich stark.
    »Was gibt es?« fragte er barsch.
    »Pater Vizenz, wir haben hier eine Frau, die einen Vorfall melden möchte.«
    »Führt sie herein.« Sein Dienstzimmer lag zum Hof hin. Je weiter die Zeugen von der Straße entfernt waren, wenn er sie |109| verhörte, desto eher waren sie bereit, belastende Aussagen zu machen. Abseits vom gewöhnlichen Leben empfanden sie die Pflichten
     stärker, die sie der Kirche und Gott gegenüber hatten.
    Er rieb sich den Nacken. Seit er heute erwacht war, schmerzte er ihn. Er mußte Zug abbekommen haben. Vielleicht ein Riß im
     Fenster? Er würde sich darum kümmern müssen, wenn er nicht morgen wieder diese Nackenschmerzen haben wollte.
    Die Frau betrat das Zimmer. Sie war keine Schönheit. Die Nase war zu kurz, der Mund schief. Das aber waren manchmal die ehrlichsten
     Leute. Ihr Bauch wölbte sich, offenbar war sie schwanger. Ihren Blick konnte er noch nicht beurteilen, sie hielt die Lider
     gesenkt. Oft hatten die Menschen Angst vor ihm. Er mußte ihnen erst Vertrauen einflößen. »Weshalb kommst du zu mir?« fragte
     er sanft.
    Sie sah ihn kurz an, blickte danach aber sofort wieder zu Boden. Was sie murmelte, konnte er nicht verstehen.
    »Rede laut und deutlich. Du kannst mir vertrauen, Frau, auch dunkle Geheimnisse solltest du nicht vor mir verbergen.«
    Erneut murmelte sie etwas.
    »Ich schicke meine Männer hinaus. Dann wirst du dich mir offenbaren.« Er winkte. Die drei Laien verließen den Raum.
    Als die Tür geschlossen war, trat sie einen Schritt näher heran und sagte leise: »Ich bin einem Ketzer begegnet, Pater.«
    »Berichte.«
    Sie zögerte. »Ich habe Angst, daß er meinem Kind etwas Böses anhext, wenn ich ihn anzeige.«
    »Du weißt, wer der Verpflichtung nicht nachkommt, Häretiker anzuzeigen, wird von der Kirche und ihren Sakramenten

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