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Das Mysterium: Roman

Das Mysterium: Roman

Titel: Das Mysterium: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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böse, sondern mitunter auch dem Guten dienlich?
     Die Antwort darauf muß ja lauten. Und heute, Herr Inquisitor, ist der strafende Arm der Kirche dem Guten dienlich. Amiel von
     Ax wird großes Leid über die Menschen dieser Stadt bringen, wenn er nicht aufgehalten wird.«
    Dieser Verblendete!
    Aber William hatte ihm den Brief gebracht. Konnte er ihm womöglich auch darüber hinaus von Nutzen sein? Vizenz |128| massierte sich mit den Fingern die Stirn. Vielleicht war es klug, sich für einige Zeit mit William Ockham zu verbünden. Die
     Inquisition hatte schon in anderen Fällen mit Ketzern zusammengearbeitet, um weitere Ketzer zu fangen. »Werdet Ihr hingehen
     zum Badehaus, heute nacht?«
    »Nein. Übernehmt Ihr das. Erwartet Amiel dort mit Euren Häschern.«
     
    Sie hörte nicht zu. Alles, an das sie denken konnte, war Heinrich und wie er sich vor Schmerzen gekrümmt hatte. Die Waffenknechte
     hatten ihm einen Speerschaft in die Seite gestoßen. Als er am Boden lag, traten sie ihn und schlugen ihn mit Fäusten. Dann
     trieben sie ihn die Treppe hinunter wie ein Tier.
    »Nicht gar so arg, bitte.« Das war alles, was William Ockham dazu sagte.
    Und sie, Adeline? War sie besser? Wie ein Kind hatte sie dabeigestanden und zugeschaut. Tief innen drin hatte sie ihre Feigheit
     verabscheut. Sie hatte die Wachen anschreien wollen, ihnen in den Arm fallen wollen. Sie wollte Heinrich aufhelfen. Getan
     hatte sie nichts davon.
    Die Gräfin klatschte in die Hände. »Wo bist du mit deinen Gedanken? Ich habe gesagt, du sollst mir das Kissen mit frischen
     Federn auffüttern.«
    Adeline nahm es, ging zur Truhe hinüber und öffnete sie. Aus dem Sack griff sie eine Handvoll Federn und stopfte sie in die
     Leinenhülle.
    »Und zieh nicht so ein Gesicht. Wenn William Ockham ihn für einen Ketzer hält, dann ist er einer. William irrt sich nicht.
     Er ist der hellste Kopf, den wir hier am Hofe haben.«
    Sie legte das Kissen auf das Bett.
    Die Gräfin zog es zu sich und stopfte es sich unter den Kopf. »Besser.«
    Es war zwecklos, ihr zu widersprechen. Trotzdem mußte sie etwas sagen, sie konnte nicht länger schweigen. »Heinrich Pfanzelter
     kann nichts dafür. Er hat nur eine Botschaft überbracht. Es ist ungerecht, ihn deshalb in Ketten zu legen.«
    |129| »So, wie du den Burschen verteidigst, kommt mir ein übler Verdacht, Kind.«
    Und Ihr verteidigt den Engländer, als sei er Euer Gemahl, dachte sie, wahrscheinlich ist er der Mann, von dem Ihr träumt:
     nicht verheiratet, und doch nicht zu haben, weil er das Mönchsgelübde abgelegt hat – meint Ihr, ich durchschaue Euch nicht?
     »Es ist nicht so, wie Ihr denkt«, sagte sie.
    »Das wollte ich dir auch geraten haben. Er ist ein Nichtsnutz. Wähle einen der Knappen oder einen Edelknecht hier am Hof,
     und dein Leben bekommt eine Zukunft. Sie haben zwar höhergestellte Damen zur Wahl, aber du bist hübsch anzuschauen. Wenn du
     nur einmal lächeln würdest! Bevor du das Licht löschst: Lächle noch einmal für mich.«
    »Ich kann nicht.«
    »Du kannst.«
    Adeline seufzte. Sie fälschte ein Lächeln.
    »Siehst du. Wie bezaubernd!« Giselberga zog sich die Decke bis zum Kinn. »Und nun öffne das Fenster.«
    Sie klappte das Fenster auf.
    »Nicht so weit. Soll ich erfrieren?«
    Sie schloß es wieder, bis auf einen kleinen Spalt.
    »Gute Nacht, Mädchen. Das Licht kannst du mitnehmen, damit du nicht stolperst.«
    Adeline knickste und verließ das Gemach der Gräfin.
    Er steckt in der kleinen, dunklen Zelle neben der Wachstube, dachte sie. Nebenan hört er die Büttel würfeln und lachen. Er
     ist allein. Niemand gibt ihm zu trinken. Niemand legt Waldrosenwurzeln auf seine Wunden.
    Sie betrat ihre Kammer, stellte das Licht ab. Aus dem Krug füllte sie Wasser in ihren hölzernen Becher. »Ich weiß, wie du
     dich fühlst«, flüsterte sie. Wenn die Mutter damals betrunken gewesen war, hatte sie, Adeline, sich vor ihr in der Kleidertruhe
     versteckt. Sie hatte den großen, schweren Deckel über sich zugemacht, und der Geruch der Kleider hatte sie getröstet. Die
     Truhe erschien ihr von innen um ein Vielfaches größer als von außen. Eine eigene Welt gab es dort drinnen in |130| der Schwärze, eine große, weite Welt, in der sie sicher war. Von draußen drangen dumpfe Geräusche herein: das Poltern der
     Mutter, ihre wütenden Rufe. Sie aber steckte in der riesigen Kleidertruhe und hielt vor Angst den Atem an.
    »Ich helfe dir«, flüsterte sie.
    Sie nahm den Becher und das Licht,

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