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Das Mysterium: Roman

Das Mysterium: Roman

Titel: Das Mysterium: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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ging die Treppe hinunter und wendete sich unten im Hof dem Westflügel zu. Der Mond schien.
     Sein Licht war kalt und abweisend. Es war eine Nacht der Grausamkeit, eine Nacht des Hasses. In dieser Nacht war jeder für
     sich allein.
    Neben dem Tor lag die Wachstube. Durch die dicke Eichentür hörte sie die Stimmen der Männer, tief, dunkel. Sie stellte das
     Licht ab. Ohne anzuklopfen, trat sie ein. Ein Becher klapperte, Würfel knallten auf den Tisch. Dann war es still. Niemand
     sah nach dem Würfelergebnis. Alle starrten Adeline an.
    Sie sah die Bierkrüge, die geröteten Gesichter. Sie sah die wäßrigen Augen der Männer und die Blicke, die über ihren Körper
     wanderten. Mit zitternder Hand zog sie die Tür hinter sich zu. Dann sagte sie: »Ich bringe dem Gefangenen Wasser.«
    Endlich sagte einer: »Du bist eines von den Kammermädchen, nicht? Das ist das weiche Herz der Weiber. Geh schon, bring ihm
     den Trunk.«
    »Augenblick!« rief ein anderer, der einen spitzen Bart trug in einem fetten, schwitzenden Gesicht. »So einfach soll sie hier
     nicht durchkommen. Wir würfeln, Mädchen. Hast du die höhere Zahl, lassen wir dich zu ihm. Verlierst du, mußt du mich küssen.
     Dann ist der nächste an der Reihe.«
    Die Männer sahen sich an. In ihren Augen rangen Gewissen und Gier miteinander. »Das sollten wir nicht machen«, sagte einer.
     Sein Nebenmann grinste: »Nein, sollten wir nicht. Trotzdem will ich von ihr geküßt werden. Du etwa nicht?«
    Die Vorstellung, ihre fauligen Münder zu berühren, verursachte Adeline Übelkeit. »Ich habe noch nie einen Mann geküßt.«
    Der spitzbärtige Dicke stellte sich zwischen sie und die |131| Tür. »Höchste Zeit, Mädchen.« Er schob sie zum Tisch und zwang sie auf den Schemel nieder, auf dem er gesessen hatte.
    »Ich möchte das nicht«, sagte sie. »Ich bin nur hier, um dem Gefangenen Wasser zu bringen.« Sie stand wieder auf.
    Der Dicke würfelte. Er knallte den Würfelbecher auf den Tisch, hob ihn an. »Siebzehn«, frohlockte er. »Das wirst du nicht
     überbieten.« Er klaubte die Würfel auf, warf sie in den Becher und hielt ihn ihr hin.
    »Ich gehe besser.« Sie wandte sich zur Tür.
    Er packte ihr Handgelenk. »Spiel ist Spiel. Da geht man nicht einfach.« Grob zwang er ihr den Becher in die Hand.
    Herr im Himmel, betete sie, du weißt, warum ich hier bin. Rette mich!
    Sie schüttelte den Becher, schüttelte, schüttelte. Dann ging sie zum Tisch und schlug ihn darauf nieder. Es war still. Aller
     Augen waren auf den Becher gerichtet. Sie hob ihn an. Die drei Würfel zeigten: Eins. Vier. Drei. O Gott, warum?
    Eine starke Männerhand faßte ihre Hüfte und zwang sie, sich umzudrehen. Feucht und schwer preßte sich ein Mund auf ihre Lippen.
     Barthaare stachen ihre Haut. Eine Zunge drückte, versuchte, in ihren Mund einzudringen. Sie biß die Zähne aufeinander und
     stieß den Mann mit aller Kraft von sich. Endlich ließ er ab. Er lachte. Auf ihren Lippen klebte Biergeschmack.
    Da hörte sie ein Hämmern an der zweiten Tür des Raumes und eine Stimme, die Unverständliches rief.
    »Sie kommt noch früh genug zu dir, Bürschchen!« rief der Spitzbärtige und trat gegen die Tür. Es wurde ruhig.
    Sie wischte sich die Lippen ab. In ihren Augen sammelten sich Tränen. Sie blinzelte sie fort. Nicht weinen vor den Männern,
     nur keine Schwäche zeigen! »Ihr seid Ungeheuer«, sagte sie.
    »Mag sein.« Ein weiterer Mann griff sich den Würfelbecher, schüttelte ihn, knallte ihn auf den Tisch. »Vierzehn«, sagte er,
     sammelte die Würfel auf und gab sie ihr mit dem Becher. »Mein Kuß wird länger dauern.«
    |132| Wenn die Gräfin hörte, was hier geschehen war, würde sie Adeline davonjagen. Man würde das Geschehene verfälschen, würde sagen,
     daß sie alles gewollt habe, daß sie die Wachen zum Küssen herausgefordert habe. Aber es gab kein Zurück mehr. Sie würfelte.
     Alle drei Würfel zeigten eine sechs. Danke Gott, danke, danke, danke! dachte sie.
    Der Mann, gegen den sie angetreten war, sagte: »Du betrügst doch, Kleine!« Er zog sie an sich und küßte sie. Dann wurde er
     fortgestoßen, der nächste kam heran, preßte ihr seine Lippen auf den Mund. Einer nach dem anderen zwang sie zum Kuß. Sie biß
     fest die Zähne aufeinander. Es ist bald vorüber, sagte sie sich, obwohl die Angst ihr die Kehle eng machte.
    Endlich kam sie frei und wurde zur Gefangenenkammer geschoben. Ein Wächter zog den Riegel vor der Tür beiseite. »Da, mit ihm
     kannst du

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