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Das Mysterium: Roman

Das Mysterium: Roman

Titel: Das Mysterium: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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weiter üben.« Die Männer lachten. Er öffnete die Tür. »Sag ihm, er soll endlich Namen herausrücken. Sonst zieht
     sie ihm der Folterknecht mit der Zange aus dem Hals.«
    Adeline ging zurück zum Tisch und nahm ihr Trinkgefäß auf. Sie trug es vorsichtig hinüber, bemüht, nichts zu verschütten,
     trotz der vor Scham und Wut bebenden Hand. Sie trat ein. Hinter sich schob sie die Tür zu bis auf einen Spalt, um Licht hineinzulassen,
     und kauerte sich nieder.
    Allmählich gewöhnten sich ihre Augen an die Dunkelheit, und sie sah Heinrichs Gesicht. Er blickte sie an. »Diese Schweine«,
     sagte er. »Es tut mir so leid!«
    »Wie geht es dir?« fragte sie leise.
    »Sie hätten das nicht tun dürfen. Sie werden dafür büßen!«
    »Hast du Schmerzen?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein.«
    »Du hast Blut im Gesicht. Und ich habe gesehen, wie sie dich getreten und geschlagen haben. Hör auf zu lügen.«
    Er sah zu Boden. »Wenn du hier bist, vergesse ich all das.«
    Wie konnte er so etwas sagen? Ihr wurde warm. »Trink«, sagte sie und reichte ihm den Becher.
    Er nahm ihn und trank. In einem Zug trank er ihn leer.
    |133| »Du bist durstig.«
    »Ich habe lange nichts getrunken.« Er gab ihr den Becher zurück. Dabei klirrte eine Kette. »Danke.«
    »Haben sie dich …?« Sie versuchte, hinter ihn zu sehen. Von seinem Fuß führte eine schwere Eisenkette zur Wand. »Das ist doch
     unnötig! Ich weiß, daß du kein gefährlicher Mann bist. Du hast einfach eine Botschaft überbracht. Du bist Student, nicht wahr?
     William Ockham hat das gesagt.«
    »Darf ich dich um etwas bitten?« fragte er. »Kannst du ins Gasthaus ›Zum Hirschen‹ gehen und Amiel von Ax sagen, was geschehen
     ist? Er muß mich hier herausholen. Wenn sie mich foltern … Ich weiß doch gar nicht, was sie von mir hören wollen!«
    Sie nickte. »Ich tu’s, ich gehe zu ihm.«
    »Sage ihm, daß ich mich jetzt erinnere. An alles. Ich erinnere mich an alles.«
    »Wie meinst du das?«
    »Sag es ihm einfach. Er weiß, was gemeint ist.«
    »Gut.«
    »Es tut mir so leid, daß du … daß sie dir das angetan haben. Ausgerechnet dir!«
    »Es geht schon wieder.«
    »Jetzt lügst
du

    Sie mußte lächeln. »Im Gasthaus ›Zum Hirschen‹ finde ich ihn also.«
    »Wenn du ihn im Gasthaus nicht antriffst, suche einen glatzköpfigen Fleischhacker in der städtischen Schlachterei. Er weiß,
     wo sich Amiel von Ax aufhält.«
    Licht strömte in die Kammer. »Seid ihr fertig?«
    Adeline erhob sich. »Ja, er hat getrunken.« Zum Beiweis kehrte sie den leeren Becher um. Er tropfte. Sie trat an dem Mann
     vorbei in die Wachstube. Hastig drängelte sie sich am Tisch entlang, zur Tür hin.
    Einer der Wächter stellte sich ihr in den Weg. »Das Spiel geht weiter. Ich war noch nicht an der Reihe.« Er befeuchtete sich
     die Lippen.
    |134| »Diese Nacht ist irgendwann zu Ende«, sagte sie, »und dann wird Gräfin Giselberga erfahren, was Ihr getan habt. Ihr werdet
     es sehr bereuen.«
    »Oh, Gräfin Giselberga!« Er verstellte seine Stimme zu einem hohen, piepsenden Ton. »Ohne Gnade wird sie mich niederstrecken!
     Giselberga!«
    Angst stieg in ihr auf. Sie war diesen Männern ausgeliefert. »Giselberga schert dich nicht. Aber ihr Geliebter schon, würde
     ich doch meinen.«
    »Wer soll das sein?«
    »William Ockham.«
    Es wurde still in der Wachstube. Dann sagte der Wächter: »Na und? Soll er kommen. Ich küsse dich jetzt, ich bin an der Reihe.«
    Aber schon waren andere Männer da und zogen ihn von der Tür weg. »Still jetzt«, sagten sie, »sonst bist du morgen deinen Posten
     los. William Ockham! Der braucht dem Kaiser nur deinen Namen zuzuflüstern, und du wünschst dir, nie geboren zu sein, so übel
     werden sie dich zurichten.«
    Adeline verließ die Wachstube. Sie überquerte den Hof, stieg hinauf in ihre Kammer. Sie wußte, daß sie einen Fehler gemacht
     hatte. Ändern ließ es sich nicht mehr. Sie goß Wasser aus dem Krug in die Schüssel und wusch sich das Gesicht. Immer wieder
     rieb sie sich über die Lippen. Das Gefühl, daß fremder Speichel an ihnen klebte, wollte nicht weichen. Sie trocknete sich
     ab, strich hart und gründlich mit dem Tuch über den Mund. Dann schlüpfte sie in den blauen Mantel.
    Am Tor sagte sie: »Gräfin Giselberga schickt mich in die Stadt. Ihr ist nicht wohl, sie braucht frisches Riechsalz.«
    Man ließ sie passieren.
    Mit jedem Mal fiel ihr das Lügen leichter. Ihr war, als habe sie eine Schale abgeworfen, als sei das Böse,

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