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Das Mysterium: Roman

Das Mysterium: Roman

Titel: Das Mysterium: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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vergessen. Danke,
     daß du die Rente gekauft hast für mich. Ach, dein goldenes Haar! Es war immer mein Sonnenschein.«
    Jetzt sah Adeline sie an. »Nein, Mutter, das war es nicht.«
    Die Mutter wich erschrocken zurück. Dann sah sie zu Boden. »Du bist immer noch wütend auf mich.«
    Sie schämte sich dafür. Es war ungerecht! Oft genug hatte die Mutter sie um Vergebung gebeten. Mit welchem Recht erhielt sie
     diesen Zorn aufrecht?
    »Ach, Kind. Was kann ich tun, um es wiedergutzumachen? Du weißt, da war dieser Zorn in mir auf deinen Vater. Ich konnte ihm
     nicht verzeihen. Das hast du wohl von mir geerbt, wir sind beide so, daß wir Böses nie vergessen. Und nun trifft es mich.
     Ich weiß, ich habe dich schlecht behandelt. Ich konnte nicht sehen, welchen Schatz ich in dir hatte. Was glaubst du, wie ich
     dich vermisse! Ich hab mich gefreut über deine Stelle, sie war ein Wunder, ein erhörtes Gebet! Aber ohne dich ist es dunkel
     und leblos in diesem Haus. Erst als du weg warst, habe ich begriffen, wie falsch ich mich verhalten habe.«
    »Bitte entschuldige. Ich bin ungerecht.«
    »Ich war dir keine gute Mutter. Ich weiß, daß ich darin versagt habe. Gott möge es mir verzeihen! Er tut es. Er vergibt uns
     allen. Aber wie kann ich deine Vergebung verdienen? Ich wünschte, du könntest noch einmal fünf sein und hier bei mir leben.
     Ich würde dich an den Füßen kitzeln am Morgen und würde dir hundert Küsse aufdrücken. Ich würde dir Spielzeug geben – und
     wenn wir dafür hungern müßten. Ach, ich würde so vieles anders machen!«
    »Mutter, es tut mir leid! Ich möchte nicht mehr so sein. Du |173| bist schon seit Jahren ganz anders, du bist gut zu mir, und du bereust auch, daß du mich früher gequält hast. Aber es ist,
     ich …« Die Worte blieben ihr im Halse stecken. Ihr Gesicht wurde heiß, und sie spürte, wie Tränen aufstiegen und sich in den
     Augen sammelten. Sie wischte sie heraus. »Ich bekomme diese beiden Menschen nicht zusammen. Beinahe wünsche ich mir die alte
     Mutter zurück, damit ich sie hassen kann; ich bin noch nicht fertig mit dem Hassen. Es ist schwer für mich, wieder zu Hause
     zu sein. Bist du mir böse? Vergib deiner törichten Tochter. Ich wünsche mir ja, verzeihen zu können! Aber es ist so schwer,
     es ist zu schwer für mich.«
    »Dann geht es dir wie mir mit deinem Vater. Du weißt, daß du von ihm das goldene Haar hast?«
    Adeline sah auf. Das wußte sie nicht.
    »Ich habe dir nie die Wahrheit gesagt. Dein Vater ist nach München zurückgekehrt, als du acht Jahre alt warst. Er hat mich
     um Verzeihung gebeten, und wer weiß, vielleicht hätten wir heiraten können, und es wäre dieser Familie endlich gut ergangen.
     Er war Eisenkettenschmied geworden. Aber ich konnte ihm nicht vergeben. Er wollte dich sehen, nur ein einziges Mal. Ich habe
     ihm die Tür gewiesen, habe ihn angeschrien und ihn fortgeschickt auf Nimmerwiedersehen.«
     
    Der Koch stellte die Schüssel auf den Tisch. Die Fische dampften. Gelbe Soße schmückte ihre weißen Bäuche, darüber waren Kräuter
     gestreut. Safranduft erfüllte den Raum. Nemo war sich sicher, daß die Fische himmlisch schmecken würden, auch wenn der Koch
     ihm nicht gestattet hatte, auch nur eine Fingerspitze zu naschen.
    »Was ist mit meinen Händen?« Amiel sah auf. »Nemo! Schale, Wasser, Tuch!«
    Es gehört zur Täuschung, sagte er sich. Ich diene ihm und spiele den Schwächeren, damit er mich unterschätzt und unvorsichtig
     wird. Mit Mühe rang er seinen Stolz nieder. Er stellte eine leere Holzschale vor Amiel hin und hob den Krug über seine Hände.
     Sorgfältig goß er ihm Wasser darüber, so, |174| daß es in die leere Schale floß, und reichte ihm anschließend ein frisches Leinentuch.
    Amiel von Ax trocknete sich die Hände ab. »Setzt euch.« Zum Koch gewandt, sagte er: »Schneide Brot. Auch für euch.«
    Der Koch teilte einen flachen Laib in zwei Hälften und legte je eine vor sich und vor Amiel hin. Ein weiteres Brot zerschnitt
     er und gab eine Hälfte Nemo. Das Brot würde die Grundlage bilden, über der sie den Fisch verspeisten.
    »Verteile die Fische.«
    Der Koch legte zuerst Amiel, dann sich selbst und zum Schluß Nemo eine Portion auf das Brot. Die köstliche Soße sickerte in
     den frischen Laib. Der Fisch duftete verlockend. Nemo machte ein Kreuzzeichen darüber. Sobald Amiel die Speise angerührt hatte,
     würde er nicht länger warten, er würde die saftigen Stücke in den Mund schieben.
    »Was hast

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