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Das Mysterium: Roman

Das Mysterium: Roman

Titel: Das Mysterium: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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verschenkte Venk hier ein Vermögen. Als Nemo den Mantel entgegennahm, spürte er Seide. Er sah nach. Der Mantel war
     innen mit grüner Seide ausgeschlagen. Sie fühlte sich kühl an und zugleich wie zarte Haut.
    Er legte den Mantel ab und führte Venk in den Versammlungsraum. Der Ratsherr zog ein Taschentuch hervor, feines, weißes Leinen,
     mit bunten Ornamenten bestickt. Damit wischte er über den Stuhl, besah sich das Ergebnis und setzte sich. Hauptmann Ermenrich
     grüßte ihn mit einer stummen Handbewegung, aber Venk von Pienzenau übersah es.
    »Korduanleder«, flüsterte eine Schwester der anderen zu und zeigte verstohlen auf Venks Schuhe.
    Sie saßen da, warteten. Niemand sprach.
    Dann hörte man Schritte. Zehn Rücken steiften sich. Erwartungsvoll sahen alle zur Tür.
    Amiel betrat den Raum, im feinen, blauen Kapuzenmantel, das Gesicht friedlich. Die Versammelten fielen auf die Knie. Das Ritual!
     schoß es Nemo durch den Kopf. Das Stechen in seinem Rücken wurde unerträglich. Wie der Fleischhacker ihm alle Luft aus den
     Lungen gedrückt hatte, das Knacken! Mühevoll zwang sich Nemo, mit den anderen niederzuknien, obwohl er das gar nicht wollte.
    Der Hauptmann rutschte bis zum Perfectus, neigte dreimal den Kopf bis zu dessen Händen und küßte sie.
»Benedicite, parcite nobis«
, sagte er.
    |181| »Von Gott und von uns«, erwiderte Amiel.
    Der Hauptmann schloß die Augen, als flösse eine Kraft durch ihn hindurch.
    Venk von Pienzenau bediente sich einer fremden Sprache. Er sagte:
»Bon crestia la benediction de dieu e de vos.«
    Amiel nickte glücklich dazu und antwortete:
»De dieu las aiatz e de nos.«
    Sie sahen ihn an wie einen Heiligen, wie ein Wesen, das nicht von dieser Welt war. Sie staunten. Sie sahen zu einem Mächtigeren
     auf. Es riß Nemo mit. Seine Ehrfurcht vor Amiel stieg. Er kämpfte dagegen an, doch zugleich strömte Freude durch seinen Körper,
     eine Freude, die er nicht kannte und die ihm Jauchzer in die Kehle sandte. Nur mit Mühe hielt er den Mund. Was, wenn Amiel
     tatsächlich ein Heiliger war? Wenn er, Nemo, die Ehre und das Glück hatte, einem heiligen Mann dienen zu dürfen? Er wünschte
     sich, daran zu glauben.
    Amiel machte eine Geste. Die Besucher setzten sich. Auch Nemo nahm Platz auf seinem Schemel.
    »Ich weiß, wie ihr kämpft«, sagte Amiel. »Wie ihr darunter leidet, in euren sündigen Körpern gefangen zu sein. Es ist eure
     reine Seele, die um Freiheit ringt.«
    Alles, was er durchlitten hatte, fiel in eine Ordnung. Nemo atmete tief ein. Wie eine Lanze durchstieß ihn der Schmerz. Die
     Rippe, dachte er. Nein, die Seele! Amiel hatte recht. Er sehnte sich nach Freiheit! Er litt unter seinem verderbten, von Gelüsten
     zerrissenen Körper.
    »Das dämonische Gefängnis läßt sich nur mit einem Leben ohne Sünde durchbrechen. Lange genug lag München im Dunkeln. Es gibt
     eine Kirche, die im geheimen wächst. Eine reine, starke Kirche. Diese Kirche hat euch einen Abgesandten geschickt, einen Perfectus.
     Ich bringe Vollkommenheit in diese Stadt. Glaubt nicht, daß ich allein bin. Überall im Reich und außerhalb leben die Glieder
     der reinen Kirche, als Weber, Schneider, Hufschmiede, Müller, Gastwirte, Fuhrmänner, selbst unter katholischen Priestern und
     Mönchen sind wir vertreten. Wir erkennen uns und unsere Nachfolger durch das |182| geheime Handzeichen.« Er drückte vor seinem Bauch die kleinen Finger aneinander.
    Die Anwesenden ahmten es nach.
    »Ich werde euch in das Mysterium einweihen, wenn ihr eure Würdigkeit beweist und zeigt, daß ihr mein Vertrauen verdient. Es
     gibt große Geheimnisse. Oh, wenn ihr wüßtet, welche Gnade die erwartet, die sich mir anschließen!«
    Nemo fragte sich, welcher Art die Geheimnisse waren, die Amiel enthüllen würde. Er sprach mit solcher Überzeugung davon! Als
     seien es atemberaubende Dinge.
    »Wir erleben Verfolgung. Viele von uns wurden von den Häschern der Inquisition getötet. Aber Gott sieht nicht untätig zu.
     1244, als unsere Burg Montségur fiel, ging den Kreuzfahrern Jerusalem verloren. Glaubt ihr, das war ein Zufall? Später blendete
     Gott den Inquisitor von Carcassonne, als er in Ax nach uns fahndete. Er quartierte sich ausgerechnet bei Arnaud Barre ein,
     der zu uns gehörte. So waren wir jederzeit gewarnt. Der Besitz ist es! Er macht die falsche Kirche blind. Das vornehme Haus
     Barres täuschte den Inquisitor, denn er dachte, wir seien arm und nur in kleinen Kämmerchen versteckt. Aber die reine

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