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Das Mysterium: Roman

Das Mysterium: Roman

Titel: Das Mysterium: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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du längs den Bauch
     auf und entfernst die Gräten. Hast du Salzfäßchen und Salzstößel besorgt?«
    »Davon wußte ich nichts.«
    Der Mann rollte die Augen. »Es ist immer dasselbe.«
    »Du bist Amiels Koch?«
    »Ein eigener Koch wäre Verschwendung für diesen Mann. Genaugenommen bin selbst ich eine Verschwendung, auch wenn ich nur vier
     Tage in der Woche über Mittag für ihn arbeiten soll.«
    Nemo schnitt einen Fischkopf ab. Es ging sehr schwer. Die Wirbel knackten, als er sie mit dem Messer durchtrennte. Er sagte:
     »Ein Mann von seinem Stand kann es sich leisten, einen Koch zu beschäftigen.«
    »Es scheitert nicht am Geld, es scheitert am Willen! Montag, |168| Mittwoch und Freitag fastet er bei Wasser und Brot. Und an den verbleibenden Tagen hat er seine Vorstellungen. Nie darf ein
     Tropfen Tierfett diese Töpfe berühren, hat er gesagt. Ich soll nur mit Öl braten, nicht mit Butter. Außerdem darf ich keine
     Milch verwenden.«
    »Warum nicht?«
    »Er ißt nichts, was geschlechtlich gezeugt wurde. Kein Fleisch! Auch sonst nichts, was von Tieren stammt.«
    Er sah auf die Fische. Amiel hatte doch ausdrücklich gesagt, daß er fünf Forellen kaufen sollte!
    »Die Fische ißt er. Wenigstens sie. Über das Entstehen von Fischen weiß man nichts, das ist mein Glück. Was soll ich sonst
     zubereiten?«
    »Also gibt es immer Fisch?«
    »Du verstehst? Das ist meine Lage. Schön, ich kann Kohl in Öl braten oder eine Brühe aus Nüssen kochen. Maiskuchen würden
     noch gehen, und Gemüsebrei. Etwas mit Linsen, etwas mit Rüben. Hechtsuppe. Apfelkuchen. Dann hört es auf. Ich hab für so einige
     Herrschaften gekocht. Keiner von ihnen war leicht zufriedenzustellen. Aber das hier ist die Krönung.«
    Warum stellte Amiel diese merkwürdigen Regeln auf? Waren sie Teil seines Blendwerks? Es erschien ihm unsinnig. Kaum jemand
     würde bemerken, was er in seiner Kammer aß. Welchen Grund gab es für sein Verhalten? Entweder war Amiel ein meisterhafter
     Betrüger, von dem er noch eine Menge lernen würde. Oder er war, wie viele große Männer, übergeschnappt. »Weißt du, warum Tür
     und Angeln mit Lumpen umwickelt sind?«
    »Ein alter Kniff. Ich vermute, er hat eine Konkubine, und er will nicht, daß die ganze Nachbarschaft es hört, wenn sie in
     der Nacht kommt und geht.« Der Koch sah ihm auf die Finger und schüttelte den Kopf. »Hör auf. Du zerstörst den Fisch! Sorgfältig
     auftrennen, das habe ich gemeint. Du zerschneidest das gute Fleisch. Gib mir das Messer.«
    Nemo legte es auf den Tisch.
    Der Koch griff es und schnitt mit einer Bewegung des |169| Handgelenks den Fisch auf, klappte ihn auseinander, löste die Wirbelsäule mit Gräten heraus. »So.« Es sah beeindruckend aus,
     wie ein jahrelang eingeübtes Kunststück.
    »Ich glaube, ich hole besser Salzfäßchen und Stößel.«
     
    Wie lange stand sie schon hier? Sie konnte sich nicht überwinden, in die windschiefe Kate einzutreten. Knochen saß geduldig
     neben ihr, schaute nur von Zeit zu Zeit auf, als versuchte er zu verstehen, was sie da tat.
    Die Straße war schmutzig. Obwohl es der Rat der Stadt verboten hatte, schütteten die Leute hier ihren Abfall vors Haus. Rübenschalen
     faulten neben einer vertrockneten Hühnerkralle. Eine Krähe hackte nach einem Stück blutigen Knorpels. Tonscherben ragten aus
     dem Dreckwasser heraus, ein Lumpenfetzen lag vollgesogen darin. Adeline konnte sich nicht erklären, daß ihr diese Straße einst
     Heimat gewesen war. Aber es war ihre Straße. Es war ihr Elternhaus.
    Die Kate lag am Rande des alten Mauerrings. Als die Mutter jung gewesen war, hatte es die neue Mauer noch nicht gegeben. Da
     war dieses Haus »draußen« gewesen. Während Adeline aufwuchs, wurde Jahr um Jahr die neue Mauer gebaut. Erst umschloß sie den
     Anger, dann verleibte sie sich das Augustinerkloster ein, schließlich wuchs sie auf der anderen Seite der Stadt zur Isar und
     den Länden hin. Dieser Tage schloß sich mit dem Isartor der Kreis. München war beträchtlich gewachsen.
    Diese Straße blieb arm. Hier gab es keine Bettler. Es war nichts zu holen bei den Menschen, die hier lebten. Die Häuser waren
     mit Stroh gedeckt statt mit Dachschindeln. Nur durch ein Wunder waren sie dem Stadtbrand vor neun Jahren entgangen. Gott hatte
     den häßlichsten Teil der Stadt erhalten, wie zum Hohn.
    Hier im Matsch hatte Adeline als Kind gespielt. Sie hatte ihn mit einem kleinen Stöckchen umgerührt, hatte ihre Puppe damit
     beschmiert und sie

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