Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Mysterium: Roman

Das Mysterium: Roman

Titel: Das Mysterium: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
Vom Netzwerk:
Tode krümmen? Sie haben mir aufgelauert, Perfectus. Sie haben mich bloßgestellt vor allem Volk, vorn auf der Isarbrücke,
     und jetzt jagt mich die Inquisition, bis sie mich zu fassen kriegt und mich im Verhör schuldig spricht.«
    »Das wird nicht geschehen. Warum vertraust du mir nicht?« Wenn Amiel über den Vorfall entsetzt war, dann verbarg er es gut.
     »Sie wollen nicht dich. Sie wollen mich. Um mich zu verurteilen, braucht der Inquisitor mein Geständnis, oder er braucht Zeugenaussagen,
     die mich belasten. Geh zum Verhör, Ermenrich.«
    »Seid Ihr von Sinnen?«
    »Du vergißt, mit wem du sprichst.«
    Eine Weile stand der Hauptmann da, tropfte. Er atmete schwer. Aber er schwieg.
    »Man wird dir Fragen stellen, die dir eine bestimmte Antwort in den Mund legen. Man wird fragen: Hast du nicht etliche Male
     vor dem Perfectus die Knie gebeugt?«
    »Was, wenn sie mich foltern?«
    »Das muß nicht geschehen. Die Folter ist eine letzte Möglichkeit, von der die Inquisition im Notfall Gebrauch macht – nichts
     anderes. Den Inquisitoren sind Bekenntnisse lieber, die aus freien Stücken dem Inneren des Zeugen entstammen. Sie gelten auch
     stärker vor Gericht.«
    »Der Inquisitor wird mir nicht glauben! Wenn er mir mit seinem kalten Blick geradewegs in die Seele schaut, wie soll ich da
     lügen? Er erkennt es ja doch.«
    »Die Inquisition unterscheidet zwischen der vollkommenen Reue und der unvollkommenen Reue. Die unvollkommene Reue geschieht
     aus Angst. Es ist leicht, sie dem Inquisitor vorzuspielen. |220| Weigere dich zunächst eine Weile, und dann, wenn er mit Strafen droht und hart in dich dringt, zeige Angst. Zittere. Schwitze.
     Weiche seinem Blick aus! Und endlich fällst du auf die Knie und sagst, daß du alles beichten willst, und gestehst etwas Minderwertiges,
     sagen wir, daß du einmal aus Neugier zu mir kamst und um ein Stück geweihten Brotes batest. Das genügt völlig, um dich glaubwürdig
     als reuigen Sünder darzustellen, und ist zugleich für ihn wertlos. Er wird das Interesse an dir verlieren.«
    »Was, wenn man mir auf die Schliche kommt? Dann habe ich unter Eid gelogen! Was ist die Strafe für Meineid?«
    »Gefängnis. Aber das würde in diesem Fall nicht deine Sorge sein. Was wiegt der Meineid gegenüber deiner Ketzerei? Dafür ist
     die Strafe viel schlimmer. Wie kannst du ernsthaft erwägen, dem Inquisitor die Wahrheit zu sagen? Kaufe dir einen Strick und
     hänge dich auf, das kostet dich weniger, als in die Hände der Inquisition zu fallen, wenn du dich als Ketzer offenbarst!«
    Der Hauptmann preßte die Faust gegen das Kinn. »Und wenn ich die Wahrheit sage und dazu erkläre, daß ich nicht wußte, daß
     es falsch ist?«
    »Das haben schon andere versucht. Der Inquisitor antwortet, daß du der Nachlässigkeit schuldig bist, aus Faulheit deine Unkenntnis
     behalten zu haben, und zwar in wichtigen Fragen des Glaubens. Er würde dich mit Strenge verurteilen.«
    Der Hauptmann riß sich am Bart. Er sah furchterregend aus. Geradeso, als würde er jeden Augenblick aus der Haut fahren. Sein
     Blick fiel wieder auf Nemo. Es flackerte darin. »Wenn du der Verräter bist, Bursche, ich knicke dich um wie einen Halm!«
    »Geh jetzt«, sagte der Perfectus. »Und laß sie glauben, sie hätten dich gegen deinen Willen eingefangen.«
     
    Der Zahnschmerz trieb ihn zur Weißglut. Es fühlte sich an, als klopfe ein eiserner Finger gegen den Backenzahn in nervtötender
     Regelmäßigkeit. Ab und an war ein stärkeres Pochen |221| darunter, das bis in den Kiefer hinabreichte und Vizenz zusammenzucken ließ. Er schwitzte. Alle Blicke im Saal des Freisinger
     Bischofspalastes ruhten auf ihm. Neben ihm saß der Bischof in seinem prunkvollen Rochett. Es unterstrich seine Würde: über
     und über mit goldenen Stickereien und glänzenden Edelsteinen verziert, die engen Ärmel aus geraffter Seide. Hinter dem Angeklagten
     standen zwei Notare an Pulten und schrieben jedes Wort auf, das aus dem Mund des Hauptmanns kam. Mußte er gerade heute an
     Zahnschmerzen leiden?
    Der Hauptmann kniete nieder. Vizenz wünschte sich, er würde nicht knien. Er hatte gehofft, aus Ermenrich mehr herauszuholen.
     Für diese Brosamen an Beichte hatte er den Bischof belästigt!
    Und wenn der Hauptmann ihm nur etwas vorspielte? War seine Reue nicht um eine Winzigkeit zu inbrünstig? »Hebe die rechte Hand
     zum Schwur!« befahl er.
    Der Hauptmann hob Mittelfinger und Zeigefinger.
    »Schwöre vor Gott, daß du die Wahrheit

Weitere Kostenlose Bücher