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Das nasse Grab

Das nasse Grab

Titel: Das nasse Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Hoffmann
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einen Fehler«, schimpfte Kalisse. »Einen furchtbaren Fehler.«

4.
    Das Warten wurde zur Qual – nicht nur für Mythor, Scida, Kalisse und Gerrek im Kulthaus der Ausgestoßenen.
    Auf der Sturmbrecher hatte sich eine düstere Stimmung breitgemacht. Sosona war erst bei Anbruch des Morgens aus ihrer Unterkunft gekommen und hatte ihren Mißerfolg eingestehen müssen. Es war ihr nicht gelungen, Zaem zu rufen.
    Die Amazonen waren wachsam. Argwöhnisch beobachteten sie von Loma auslaufende Fischerboote, die sich allesamt in respektvoller Entfernung von der Sturmbrecher hielten. Artiki wurde gemieden. Wie ein Lauffeuer hatte es sich an Bord herumgesprochen, weswegen sie hierher verbannt worden war. Manches schlichtende Wort der Hexe war vonnöten, um vereinzelte Amazonen davon abzuhalten, sie ins Meer zu werfen.
    Der Tag verging ohne Zwischenfall. Einmal nur wurde ein kleiner Schwarm von Enterseglern gesichtet, die aus dem Meer stiegen, sich aber in nordwestliche Richtung davon bewegten.
    »Nach Asingea«, hatte Artiki gesagt. »Zur Insel im Norden.«
    Und auch die Namen zweier Städte dort hatte sie erwähnt: Pelleas-Anna und Icearran.
    »Viele von uns wurden zu Opfern dieser Bestien«, hatte sie erklärt. »Sie sind unberechenbar. Einmal suchen sie unsere Häuser heim. Dann wieder scheinen sie uns gar nicht zu sehen. Früher kannten wir solche Geschöpfe nicht. Sie kamen, als die Zeit des Taurenmonds sich ihrem Ende zuneigte.«
    Als der Abend anbrach, wurden Gudun, Gorma und Tertish zunehmend ungeduldiger. Die Untätigkeit war alles andere als nach ihrem Geschmack. So drängten sie die Ausgestoßene, sie nun endlich zum Kultplatz zu führen. Doch erst, nachdem der Mond eine gewisse Stellung am Himmel erreicht hatte, willigte sie ein.
    Wieder wurden die Ballone klargemacht. Diesmal stiegen zehn Amazonen in jede Gondel. Mit ihnen und Artiki ging wieder Sosona, während Tertish sich zähneknirschend darin fügte, auch diesmal wieder auf dem Schiff zu bleiben.
    Die drei Ballone umflogen die Insel. Erst, als sie sicher sein konnte, daß die Bewohner Lomas sie nicht mehr sehen konnten, kehrten sie zurück und landeten an jener Stelle, die Artiki bestimmte.
    Jeweils eine Kriegerin blieb bei ihnen zurück, während die anderen sich in Marsch setzten.
    Artiki führte sie mit sicherem Schritt. Erst kurze Zeit im Nassen Grab, kannte sie doch diese Insel genau und wählte Wege, die einen größtmöglichen Schutz vor Entdeckung boten. Als bereits die Südspitze des Eilands fast erreicht war und die hochaufragenden, steilen Klippen zu sehen waren, ließ sie den Trupp halten.
    »Von nun an müssen wir vorsichtig sein«, flüsterte sie. »Die Anemona-Anbeter kommen zwar auf dem Wasserweg zum Kultplatz, aber oft stellen sie Wachen auf.«
    Sie schlichen weiter, bewegten sich über schmale Pfade zwischen dichtem Gebüsch und nutzten jede Deckung aus, wenn es über freies Gelände ging.
    Dann lagen die Klippen vor ihnen.
    Im Gegensatz zum Strand bei Loma, gab es hier im Süden der Insel eine felsige Steilküste, Artiki, Sosona und die 27 Amazonen lagen flach auf dem Fels und starrten in die schäumende Gischt hinab. Zwischen den Klippen, die viele hundert Fuß weit ins Meer hinausstanden, gab es Zonen ruhigeren Wassers, und dorthin deutete Artiki.
    »Dort werdet ihr sie sehen«, flüsterte sie, als könnte der leichte Wind ihre Worte an Ohren tragen, für die sie nicht bestimmt waren. Gudun lag neben ihr auf dem Bauch und beobachtete sie.
    Die Ausgestoßene hatte viel größere Angst, als sie nach außen hin zeigte.
    Wovor?
    »Wie lange müssen wir warten?« fragte die Amazone.
    »Nicht mehr lange«, flüsterte Artiki und blickte zum Mond auf.
    Er stand hoch am Himmel, als eine der Kriegerinnen einen erstickten Laut von sich gab und auf das Meer hinab deutete.
    Zwischen zwei Klippen kamen drei Fischerboote hindurch. Schweigend sahen die Amazonen, wie sie sich durch die ruhigen Gewässer bewegten und an einem tiefgelegenen Felsvorsprung haltmachten. Die Inselbewohner warfen Seile nach dort in den Fels gerammten Pflöcken, machten die Boote fest und stiegen aus.
    Es waren mindestens zwei Dutzend. Einer der Verbannten begann, eine Klippe zu ersteigen, während die anderen auf dem Plateau einen Kreis bildeten und sich an den Händen faßten.
    »Der Wächter«, flüsterte Artiki. »Er darf uns nicht sehen.«
    Gudun deutete nach rechts.
    »Dort führt ein Pfad zu der Plattform hinab. Vielleicht sollten wir uns das alles aus der Nähe

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