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Das nasse Grab

Das nasse Grab

Titel: Das nasse Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Hoffmann
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    Artiki erschrak.
    »Fordert die Tritonen nicht heraus!« warnte sie mit bebender Stimme. »Fordert die Anemona nicht heraus!«
    Gudun winkte ab, blieb aber liegen.
    Der Kletterer hatte die Spitze der Klippe erreicht, und dies schien ein Zeichen für die anderen Ausgestoßenen zu sein. Immer noch hielten sie sich an den Händen. Doch nun stimmten sie einen wahrhaft schauerlichen Gesang an, der selbst einer hartgesottenen Kämpferin wie Gudun einen Schauer über den Rücken jagte. Die Fischer drehten sich langsam im Kreis. Der Gesang, der aus keinen menschlichen Kehlen zu kommen schien, schwoll an, bis er endlich seinen Höhepunkt erreichte.
    Der Kreis löste sich auf. Atemlos beobachteten die Kriegerinnen, Artiki und Sosona, wie die Ausgestoßenen sich nun auch der Fetzen um ihre Lenden entledigten und aus mitgebrachten Körben große, weiße Blumen nahmen, die sie weit hinaus ins Meer warfen.
    »Sie bringen Opfergaben dar«, flüsterte Artiki.
    »Den Tritonen?« fragte Sosona. »Wann erscheinen sie?«
    Artiki brauchte nicht mehr zu antworten. Sie streckte nur den Arm aus.
    Nachdem die letzten Opfergaben verschleudert worden waren – neben den Blumen auch Fische und andere Meerestiere –, stürzten sich die Inselbewohner einer nach dem anderen in die Fluten. Sie sangen wieder und bildeten erneut einen Kreis im Wasser. Nur ihre Köpfe waren zu sehen und ihre Hände, die sich berührten.
    Gudun runzelte die Stirn. Sie hatte den Verdacht, daß Artiki sie an der Nase herumführen wollte, um ihre Haut zu retten. Ihre wirren Worte waren nicht vergessen, obgleich sie nun zusammenhängender und sinnvoller redete.
    Doch dann entrang sich ihrer Kehle ein heiserer Laut. Die Kriegerinnen erstarrten, wagten nicht mehr zu atmen.
    Mitten im Kreis der Verbannten schäumte das Wasser. Zunächst sah es aus, als tobten dort Hunderte von kleinen Fischen, die durch eine unbekannte Magie an die Oberfläche gelockt worden waren.
    Dann aber schienen fischähnliche Wesen von der Größe eines Menschen aufzutauchen. Mitten im Kreis der Ausgestoßenen waren Köpfe zu sehen von Wesen, die halb Fisch, halb Mensch zu sein schienen. Deutlich war dies nicht zu erkennen. Das Meer lag zu tief unter den Amazonen, und das Wasser schäumte noch stärker.
    Artiki aber flüsterte:
    »Die Tritonen. Sie nahmen die Opfer an…«
    Und Menschen und Meervolk vereinten sich zu einem unheimlichen Reigen. Das Mondlicht beschien ein Bild wie aus Träumen. Menschen und Meervolk spielten in den Wellen, sangen und schienen miteinander zu verschmelzen.
    »Wir müssen näher heran«, drängte Gudun. »Ich will sie deutlich sehen.«
    »Nein!« warnte Artiki. Doch schon war die Kriegerin aufgesprungen und winkte den anderen.
    »Der Wächter!« stieß die Ausgestoßene hervor. »Er wird euch entdecken!«
    »Im Augenblick sieht er nur, was sich dort unten tut.«
    Und sie mußten hinab. Gudun hatte von Anfang an keinen anderen Gedanken gehabt, als einen Tritonen zu fangen und zum Sprechen zu bringen. Er mußte ihnen sagen können, was mit der Zaem und mit Burra geschehen war.
    Artikis Angst war einer ehemaligen Amazone nicht würdig. Aber wenn dieses Meervolk auch die Inselbewohner in Schrecken versetzen konnte, die nun widersinnigerweise dort unten mit den Tritonen spielten – den Lanzen und Schwerter der Amazonenschar würden die Geheimnisvollen nichts entgegenzusetzen haben.
    »Kommt!« sagte Gudun gedämpft. Gorma hatte sich ebenfalls erhoben und winkte bereits die Kriegerinnen zum Pfad.
    Sosona zögerte, bevor sie ihnen folgte. Sie warf der verzweifelten und vor Angst bebenden Artiki einen kurzen Blick zu.
    Nichts konnte die Verfemte dazu bringen, ebenfalls den Pfad hinunterzusteigen. Sosona achtete nicht mehr auf sie.
    In dem breiten Spalt zwischen den Felsen hatte sich im Lauf der Zeit Boden angesammelt, auf dem Gräser und kleine Büsche wuchsen, deren Wurzeln ihm Halt gaben. Hintereinander kletterten die Dienerinnen der Zaem in die Tiefe. Lange Zeit sah es so aus, als könnten sie wahrhaftig unbemerkt bis zur Plattform gelangen.
    Dann aber, kurz bevor sie den Fuß darauf setzen konnten, zerriß der Schrei des Wächters das Plätschern der Wellen, das Spritzen der Gischt und das Singen der Ausgestoßenen im Wasser.
    »Fremde!« schallte es weithin hörbar von der Klippe. »Es sind die Amazonen vom Schiff!«
    Gudun, die sich an die Spitze des Trupps gesetzt hatte, blieb stehen und riß die Schwerter aus den Scheiden. Hinter ihr klirrten Waffen.
    Und vor

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