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Das nasse Grab

Das nasse Grab

Titel: Das nasse Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Hoffmann
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ihnen, in der kleinen Felsbucht, tauchten die im Mondlicht grün schimmernden Leiber der Fischmenschen unter. Das Wasser brodelte zwischen den Verbannten, die sich nun dem Pfad zuwandten und wütende Schreie ausstießen.
    Mit einer ungeahnten Schnelligkeit kamen sie an Land und stürzten sich voller Haß und Zorn auf die, die es gewagt hatten, sich an diesen geweihten Ort zu begeben, die diesen ungeheuerlichen Frevel zu begehen wagten. Und sie hatten plötzlich Waffen in den Händen, die sie in ihren Booten mitgeführt hatten.
    Die ersten Lanzen flogen heran. Spitzen aus Fischknochen zersplitterten an Felsen. Gudun duckte sich und sah, daß gegen diese Gegner auf einem solchen engen Gelände nichts auszurichten war. Sie mußten wieder nach oben, wo der Vorteil auf ihrer Seite lag.
    »Lauft!« schrie sie. Gorma und Sosona trieben die Kämpferinnen bereits den Pfad hinauf. Immer mehr Lanzen flogen heran. Eine entfesselte, aufgebrachte Meute, folgte ihnen.
    Steine gingen in einem wahren Hagel auf die Flüchtenden nieder. Einer Amazone direkt vor Gudun wurde der Helm vom Kopf gerissen. Der nächste Stein traf sie an der Schläfe.
    Gudun fing sie auf und kletterte weiter. Oben angekommen, stoben die Kriegerinnen nach allen Richtungen auseinander. Bevor sie von ihren Schwertern Gebrauch machen konnten, erreichten sie die Wurfgeschosse. Mehrere brachen zusammen und mußten von anderen davongetragen werden.
    Gudun sah Gorma neben sich. Ein einziger Blick reichte aus, um beide erkennen zu lassen, daß ihnen vorerst nur die Flucht zurück zu den Ballonen oder in besser zum Kampf geeignetes Gelände blieb.
    Der Stolz aber verbot ihnen, Reißaus zu nehmen.
    »Weiter!« schrie Gorma. Sie wich einem Stein aus. Die Besessenen waren bis auf wenige Schritte heran. »In die Büsche und hinter die Felsen! Geht in Deckung und nehmt sie euch einzeln vor!«
*
    Der Kampf währte nicht lange. Die Ausgestoßenen schleuderten in ihrer Wildheit alles nach den Kriegerinnen, das sich ihnen nur bot. Sie trieben sie regelrecht vor sich her, ließen keine Amazone an sich herankommen. Wenn dies doch geschah und sie die Schwerter vor sich aufblitzen sahen, ergriffen sie die Flucht. Sie verschwanden im Gestrüpp oder zwischen Felsen, als hätte der Boden sie verschlungen.
    Dann, wie auf ein geheimes Zeichen, zogen sie sich alle zurück. Sie kannten das Gelände, jeden Fußbreit, und verschwanden alle auf die gleiche, erschreckende Weise. Eben noch waren sie zwischen den Amazonen gewesen, und nun schien es, als hätten sie sich in Luft aufgelöst.
    Gudun konnte es nicht fassen. Die Kriegerinnen waren ein gutes Stück von den Klippen und dem Steilufer abgedrängt worden. Es hatte so ausgesehen, als hätten die Besessenen jede einzelne von ihnen tot sehen wollen.
    »Warum flohen sie dann?«
    Sie erhielt die Antwort, als die Kriegerinnen sich sammelten.
    »Zwei von uns fehlen!« stieß Gorma ungläubig hervor. »Telmi und… Sinaka!«
    Sie rief laut ihre Namen. Aber niemand antwortete. Eine unheilvolle Stille lastete über diesem Teil der Insel. Nur das Heranrollen von Wellen und das Spritzen der Gischt war zu hören – und dann und wann das Kreischenjagender Nachtvögel.
    »Wir haben sie verloren«, rief Gorma. »Wir müssen ausschwärmen und sie…«
    Gudun schüttelte den Kopf. Sie glaubte nicht daran, daß Telmi und Sinaka sich hier, wo laut geredet wurde und Waffen klirrten, einfach verlaufen haben konnten.
    Entweder waren sie im Steinhagel gestorben, oder…
    Gudun erschauerte bei dem Gedanken, der sich ihr aufdrängte. Aber er ergab einen Sinn, konnte das plötzliche Verschwinden der Ausgestoßenen erklären.
    »Wir gehen zurück!« rief sie.
    »Du glaubst, daß die Inselbewohner sie… entführt haben?«
    »Mögen die Götter geben, daß dem nicht so ist! Bleibt dicht beieinander! Unsere Gegner mögen noch in der Dunkelheit lauern!«
    Sie gingen den Weg zurück, den sie gekommen waren, und bald fand Gudun die Spuren im Moos, das kurz vor dem Steilufer den einzigen pflanzlichen Bewuchs bildete – jene Spuren, die zu finden sie so sehr befürchtet hatte.
    Kräftige Abdrücke von nackten Füßen, zwischen deren langen Zehen sich Schwimmhäute spannten, und lange Streifen Moos, die darauf hindeuteten, daß hier jemand geschleppt worden war. Keiner der Verfemten zeigte sich. Keine Steine oder Lanzen flogen mehr heran. Dafür aber wurde Guduns schrecklicher Verdacht nun fast zur Gewißheit.
    Mit der Klinge zeigte sie zu den Klippen.
    »Die Spuren

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