Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Nebelhaus

Das Nebelhaus

Titel: Das Nebelhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Berg
Vom Netzwerk:
Gewissheit war nun fort. Ich fühlte mich zurückgeworfen auf einen Abschnitt meines Lebens, von dem ich mich unbewusst bereits verabschiedet hatte.
    Auf dem Rückweg zum Wagen signalisierte mein Handy eine angekommene SMS . Sie stammte von Steffen Herold.
    »Morgen Vormittag, elf Uhr, Potsdam, Haupteingang Schloss Sanssouci. Pünktlichkeit sehr wichtig.«

24
    September 2010
    Timo entdeckte Vev auf der Veranda. Sie saß, gekleidet in einen luftigen schwarzen Leinenanzug, am gedeckten Bistrotisch und blickte in Gedanken versunken in Richtung einer monströsen Wand auberginefarbener Wolken, die sich von Norden näherte, aber noch ein gutes Stück entfernt war. Mit der linken Hand spielte sie mit den Perlen der Halskette, mit der rechten umklammerte sie ein mit Whisky gefülltes Glas. Timo konnte sich an ihren Haaren nicht sattsehen, sie waren Spielzeuge des Windes, weich und fließend. Als er sich vorstellte, am nächsten Tag um diese Uhrzeit Hiddensee und Vev zu verlassen, kam es ihm vor, als trampele jemand auf seiner Brust herum.
    »Hey, Madame Bovary«, sagte er.
    Sie lächelte fast unsichtbar. »Hey, Liebhaber.«
    »Störe ich?«
    Sie griff in eine Strandtasche, die unter dem Tisch stand, und holte ein zweites Glas hervor. »Ich habe gehofft, dass du kommst. Letztes Picknick und so, du weißt schon. Philipp ist zum Hafen gegangen, wir haben dort ein kleines Boot, nicht der Rede wert, aber es muss besser angebunden werden. Wenn er schon einmal dort ist, hilft er natürlich den anderen Bootsbesitzern. Philipp ist nämlich sehr hilfsbereit, wenn es um Eigentumssicherung geht.«
    Timo setzte sich zu ihr. Die Luft hatte sich abgekühlt, doch er fror nicht, er meinte sogar, innerlich zu glühen.
    »Hast du Yasmin gesehen?«, fragte sie.
    »Nein, ich dachte sie wäre hier im Haus.«
    »Sie ist bis jetzt nicht von eurem gemeinsamen Spaziergang zurückgekehrt. Hast du sie ermordet?«
    »Falls es so ist, habe ich es vergessen. Yasmin interessiert mich im Moment weniger als Aufzugsmusik.«
    »Gut, wir suchen ihre Leiche später. Whisky gefällig?«
    »Hilft Whisky gegen Liebeskummer, oder verschlimmert er ihn?«
    »Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage, oder fragen Sie Herz und Leber.« Sie füllte das Glas großzügig.
    »Ich habe seit Stunden nichts gegessen«, gab er zu bedenken.
    Vev griff ein zweites Mal in die Tasche und servierte ihm die Reste vom Vorabend sowie einen Tomatensalat.
    Unter ihrem zufriedenen Blick aß er – hauptsächlich wegen ihres zufriedenen Blicks, denn er hatte eigentlich keinen Appetit – und spülte alles mit winzigen Schlucken Alkohol herunter. Der nahende Sturm zerrte an Haaren und Kleidung, und Timo merkte an, dass er sich an einen Loriot-Sketch erinnert fühle. Doch der kleine Witz nahm nur für wenige Sekunden die Spannung, die in der Luft lag.
    »Das ist also wirklich unser letztes Picknick?«, fragte er nach dem zweiten Glas. »Ich will dich nicht aufgeben, und ich weiß, dass du mich nicht aufgeben willst. Da war sofort eine besondere Verbindung zwischen uns, die gibt es zwischen dir und Philipp nicht. Wir verstehen uns auf einer Ebene, zu der dein Mann keinen Zugang hat. Es ist die Art, wie wir miteinander reden, wie wir uns ansehen und dasselbe denken, was passiert, wenn wir uns berühren … Ich kenne dich erst seit ein paar Tagen, aber mehr als ich von dir weiß, muss ich nicht wissen. Ich will dich, Vev, und ich schenke mich dir. Das mag sich jetzt vielleicht theatralisch anhören …«
    »Es ist unmöglich.«
    Der Satz fuhr ihm ins Gesicht wie eine starke Böe. »Was meinst du?«, fragte er. »Was ist unmöglich?«
    »Das zwischen dir und mir. Wir müssen damit aufhören.«
    »Aber unsere Geschichte fängt doch gerade erst an, und wir …«
    »Ja, eben. Jetzt ist es viel leichter, als wenn wir uns besser kennen.«
    »Ich kenne dich bereits, für mich wäre eine Trennung zu jeder Zeit gleich schlimm.«
    »Trennung – Timo, du steigerst dich da in etwas hinein. Ich empfinde ja auch etwas für dich, aber … Noch haben wir es unter Kontrolle. Verstehst du denn nicht?«
    Er trank den Rest des schottischen Safts, der ihn von innen anfeuerte. »Nein, ich … Das verstehe ich nicht . Wieso? Sag mir, wieso wir nicht zusammenkommen können.«
    »Ich bitte dich, überleg doch mal!«
    »Mir fällt kein einziger Grund ein. Es sei denn … es sei denn, du warst nicht ehrlich zu mir, neulich am Strand, an der Genoveva Bay.«
    »Ich war ehrlich.«
    »Dann bin ich

Weitere Kostenlose Bücher