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Das Nebelhaus

Das Nebelhaus

Titel: Das Nebelhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Berg
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hätte es absichtlich getan, um sie zu vergraulen. Ich wolle sie auf diese Weise abservieren. Wieder mal gab es eine Riesenszene. Von da an reihte sich ein Wahnsinn an den anderen. Sie schluckte massenweise Schmerztabletten. Sie fuhr mit Tempo einhundertvierzig auf regennasser Landstraße, und zwar nachts. Ich fahre selber gerne schnell, aber das … Sie redete mal gut über ihre Mutter, dann wieder schlecht, sehr schlecht sogar. Sie fing ohne ersichtlichen Grund an zu weinen. Sie intrigierte in meinem Freundeskreis gegen eine Frau, von der sie glaubte, sie sei scharf auf mich – was völlig absurd war. Aber am schlimmsten waren die Verletzungen, die sie sich zugefügt hat. Beim Gedanken daran läuft es mir heute noch kalt den Rücken runter.«
    Interessiert hakte ich nach: »Was genau hat sie getan?«
    »Sie hat sich manchmal gestochen oder die Haut eingeritzt. Zweimal habe ich sie dabei erwischt, einmal mit einem Schlüssel, den sie sich fest über den Bauch gezogen hatte, und einmal mit einer Sicherheitsnadel. Als ich fragte, wieso sie sich das antue, wich sie aus. Natürlich hat sie sich viel öfter verletzt als nur diese beiden Male. Ich habe ja die verkrusteten Wunden gesehen, wenn wir miteinander schliefen. Ich sag’s mal direkt: Es war ekelhaft. Ich habe ihr geraten, zum Psychiater zu gehen, aber wenn ich ehrlich sein soll, hatte ich da innerlich schon mit ihr abgeschlossen. Ich habe nur noch den richtigen Zeitpunkt abgewartet.«
    »Haben Sie mit Leonies Mutter darüber gesprochen?«
    »Mit der? Das hätte noch gefehlt, die war doch völlig hilflos und überfordert. Ich war zweimal mit Leonie bei ihr zum Essen eingeladen, das hat mir gereicht. Sie hat sich alles von ihrer Tochter gefallen lassen, jede Gemeinheit.«
    Ich gestand es mir ungern ein, aber Leonies psychische Verfassung war zerrütteter, als ich angenommen hatte. Mit einfacher Launenhaftigkeit war das, was ihr Exfreund da berichtete, nicht mehr zu erklären. Natürlich spielte ich kurz den Gedanken durch, dass er mich in einigen Punkten anlog, beispielsweise was die Verletzungen anging. Könnte er seine Freundin geschlagen und damit ihren geistigen Zustand verschlimmert haben? Der betreuende Arzt aus der Bad Homburger Klinik hatte allerdings von kleinen, frischen Brandverletzungen auf Leonies Brust erzählt, und für die konnte Steffen Herold nicht verantwortlich sein. Das sprach dafür, dass er die Wahrheit sagte.
    Ich nahm an, dass der Knaller, den Steffen Herold mir versprochen hatte, Leonies Selbstverletzungen waren. Doch darin irrte ich.
    »Sie haben also noch nach dem richtigen Zeitpunkt gesucht, um mit Leonie Schluss zu machen, als sie nach Hiddensee abfuhr. Hatten Sie vielleicht kurz vorher einen Streit mit ihr? Und was wussten Sie von der Pistole?«
    Er grinste. »Sie haben mich vorhin falsch verstanden. Ich habe gesagt, dass ich nach dem richtigen Zeitpunkt zum Schlussmachen gesucht habe.«
    »Das habe ich auch so verstanden.«
    »Ich habe ihn auch gefunden.«
    Ich brauchte eine Weile, um seine Worte zu begreifen. »Das heißt, Sie waren nicht mehr ihr Lebensgefährte, als sie nach Hiddensee gefahren ist?«
    »Gute Frau, ich war ganze vier Monate lang mit Leonie zusammen. Vier Monate«, wiederholte er. »Ich habe mich kurz vor Weihnachten 2008 von ihr getrennt, fast zwei Jahre vor dem Amoklauf.«
    Steffen Herold erzählte mir, wie Leonie während eines gemeinsamen Abends mit Freunden ausgerastet war. Sie saßen in einer Kneipe zusammen, als jemand eine Bemerkung machte, die Leonie nicht passte. Sie warf alle Gläser zu Boden und rannte davon. Steffen machte noch am selben Abend mit ihr Schluss. Jedenfalls glaubte er das.
    Von da an rief Leonie zehnmal am Tag und öfter bei ihm an, tagelang, wochenlang, monatelang, und bat um eine zweite Chance. Dazu war er nicht bereit, was Leonie allerdings nicht akzeptierte. Irgendwann ging er nicht mehr ans Telefon, wenn sie anrief. Steffen Herold hatte die digital abgespeicherten Mailbox-Nachrichten nicht gelöscht, für den Fall, dass er sie eines Tages brauchte, um die Stalkerin per Gerichtsbeschluss loszuwerden. Er wählte mit seinem Handy eine Nummer an und startete die Abfrage. Dann gestattete er mir, die Nachrichten mitzuhören.
    20. Januar 2009, siebzehn Uhr vierunddreißig: »Hallo, Steffen, Schatz, wir sollten unbedingt miteinander reden. Komm doch vorbei, ich mache uns einen Punsch, den trinkst du ja so gern.«
    20. Januar 2009, achtzehn Uhr einundzwanzig: »Steffen, ich muss wissen, ob du

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