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Das Nebelhaus

Das Nebelhaus

Titel: Das Nebelhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Berg
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oder?«
    »Nun ja, bei der Stadt. Ich war ihre Chefin, wenn Sie so wollen. Ich leite den Kindergarten. Aber wir haben uns eher als Kolleginnen verstanden.«
    »Stimmt es, dass Leonie Korn zum Zeitpunkt ihres … des Amoklaufes, dessen sie beschuldigt wird, schon nicht mehr als Kindergärtnerin bei Ihnen gearbeitet hat? Sie haben Frau Korn fristlos entlassen?«
    »Ja, so war es.« Ihre Stimme klang betrübt, so wie sich das gehörte, aber unterschwellig auch stolz und erleichtert, dass sie damals rechtzeitig und richtig entschieden hatte. Nicht auszudenken, eine von ihren Kindergärtnerinnen wäre Amok gelaufen. Da Arielle Meißner nichts zu verbergen hatte, sondern im Gegenteil ihrer Verantwortung gerecht geworden war, musste ich ihr nichts aus der Nase ziehen. Sie war wie ein mit Wasser gefüllter Ballon, den ich mit einer Nadel anpikste.
    »Es gab da kurz vorher einen Vorfall«, sagte sie. »Eigentlich waren es mehrere Vorfälle, aber Sie wissen ja, der berühmte Tropfen und so weiter. Leonie wurde immer reizbarer. So etwas geht nicht, wissen Sie? Erzieherin und Reizbarkeit sind zwei Wörter, die nicht zusammenpassen. Man muss sich nicht nur im Griff haben, man darf noch nicht einmal auf den Gedanken kommen, den Kindern zu hart zu begegnen. Jahrelang hat es keine Beanstandung an Leonies Verhalten gegeben, sie arbeitete stets tipptopp. Privat waren wir nur selten zusammen, sind ab und zu eine Pizza essen gegangen, das war’s. Jedenfalls gestand sie mir mal, dass Erzieherin nicht ihre erste Wahl war, und dafür machte sie ihren Job wirklich gut. Man muss ja einiges erdulden in diesem Beruf, wissen Sie? Tja, und dann …«
    Arielle Meißners Seufzer bereitete auf die große Tragödie vor. Ich wartete gespannt darauf, dass sie fortfuhr.
    »Sie hat die Kinder ein paarmal ein bisschen zu hart angefasst, das ist mir aufgefallen, und ich habe ihr gesagt, das muss aufhören. Aber es hat nicht aufgehört, wissen Sie? Der entscheidende Vorfall ist dann im August passiert. Ja, das muss vor fast exakt zwei Jahren gewesen sein. Wir hatten eigentlich nicht viel zu tun, viele Eltern waren in den Sommerurlaub gefahren. Die Kinder spielten draußen, Leonie führte die Aufsicht. Leonie … sie … sie hat einen Jungen geschüttelt, wissen Sie? Sie hat ihn geschüttelt, bis er schrie wie am Spieß. Als er damit nicht aufhörte, stieß sie ihn in den Sand. Ich war im Haus, kam zu spät dazu, um einzugreifen. Der Kleine fiel einigermaßen weich, aber er hätte sich leicht etwas brechen oder verstauchen können. Der Vorfall war so schwerwiegend, dass es keinen Spielraum gab, um Leonie lediglich zu verwarnen. Sie sah das anders und drohte mir mit dem Anwalt. Für sie war die fristlose Kündigung nichtig, und sie erschien zur Arbeit, als wäre nichts gewesen. Ich musste ihr gegenüber ein Hausverbot aussprechen. Ich glaube, sie hat mit niemandem darüber geredet, ihre Mutter ist aus allen Wolken gefallen, als sie hier anrief und ihre Tochter sprechen wollte. Ein paar Tage später habe ich dann von dem Amoklauf auf Hiddensee erfahren. Natürlich war ich geschockt. Mit einem solchen Menschen – einer Mörderin, das muss man sich mal vorstellen! – habe ich noch kurz vorher Seite an Seite gearbeitet. Wissen Sie, ich habe das erst gar nicht in meinen Kopf bekommen. Angenommen, die wäre hier bei uns Amok gelaufen. Man könnte fast gläubig werden, wenn man sich das genauer überlegt.«
    Ich wartete drei Sekunden, um sicherzugehen, dass Frau Meißner einen Punkt gemacht hatte und nicht bloß ein Semikolon, wie einige Male vorher.
    »Ich muss jetzt wieder an die Arbeit, die Kinder werden um diese Uhrzeit abgeholt. Und danach habe ich Feierabend.«
    »Ich habe nur noch zwei kurze Fragen, wenn Sie so freundlich wären.«
    »Bitte. Aber wirklich nur kurz.«
    »Warum hat Leonie den kleinen Jungen geschüttelt?«
    »Er hatte sie angelogen.«
    »Das ist alles?«
    »Er hatte ihr gegenüber beteuert, ein gewisser Gegenstand gehöre ihm, dabei gehörte er einem Mädchen. Als Leonie davon erfuhr, ist sie ausgetickt.«
    Nicht, dass Leonies Misshandlung zu rechtfertigen gewesen wäre, wenn der Junge Schwerwiegenderes begangen hätte. Aber die Lüge war so nichtig und alltäglich, dass es mir fast den Atem nahm.
    »Und die zweite Frage?«, drängte Arielle Meißner. »Ich muss nämlich los.«
    »Sind Sie mal Leonies Freund begegnet, Steffen Herold?«
    »Ach, der. Er hat Leonie manchmal von der Arbeit abgeholt, na ja, eher selten, vielleicht dreimal in all

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