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Das Nebelhaus

Das Nebelhaus

Titel: Das Nebelhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Berg
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irgendetwas Jugendliches war noch an ihm, so als hätte ihn die Natur gegen seinen Willen zum Wachsen gezwungen. Dazu kam, dass mit seiner Unterhose etwas nicht stimmte. Unterhosen sind nun einmal keine Badehosen, sie sind aus Baumwolle gefertigt, die bei Nässe sehr anschmiegsam wird. Mit dem, was sich darunter verbarg, meinte er ebenfalls nicht prahlen zu können.
    Sie legten sich auf ihre feuchten Tücher in den Sand. Die Gewalt der Sonne war durch den September und den Nachmittag gebrochen, nur ein weißliches Licht drang durch Schleierwolken. Ein paar Minuten lang wärmten sie sich auf.
    Schließlich kramte Vev Servietten und Bouletten hervor, dazu noch zwei Gläser, eine Flasche stilles Wasser – und Whisky.
    »Nichts Gesundes im Gepäck«, stellte sie klar. »Keinen Salat, keinen Apfel, keinen Orangensaft. Philipp mag nur gesunde Sachen, von Müsli über Obst und Vollkornschrotbrot bis zu Radfahren, Denksportaufgaben und tausend andere Beglückungen. Aber für mich ist das Gute nur in Maßen zu ertragen. Buletten und Whisky sind jetzt genau das Richtige für uns.«
    Sie nahmen beides reichlich zu sich, er seinen Whisky allerdings stark mit Wasser versetzt, sodass er Timo langsamer als ihr zu Kopfe stieg. Mit jedem Glas wurden sie redseliger. Der Alkohol ließ bei Timo so manchen Knoten platzen.
    »Wie hast du Philipp kennengelernt?«, fragte er.
    »Was du wirklich wissen willst, ist doch, wieso ich ausgerechnet Philipp kennengelernt habe.«
    Er war so perplex, dass er nicht antwortete.
    »Nun gut, ich beantworte die Frage trotzdem«, sagte sie. »Ich habe zuletzt als Übersetzerin gearbeitet, es ging um irgendeinen Job, den Philipp in Auftrag gegeben hat. Ich war vierzig und wollte endlich ein Kind. Ich habe es bekommen, Gott sei Dank. Philipp wollte eine Frau, die sich um das Kind kümmert, er wollte ein Haus, er wollte unbedingt auf Hiddensee wohnen – und voilà, wir sind hier. Das Haus durfte aber nicht irgendeines, sondern musste ein besonderes sein. Philipp hat große Pläne, weißt du? Er möchte der Karl Lagerfeld der Wohnarchitektur werden und hält gerne Hof. Er ist ehrgeizig, ich mag ehrgeizige Männer durchaus. Außerdem ist er ein guter Vater und ein stets korrekter Mann …« Im letzten Moment unterdrückte sie ein »Aber«. Es war trotzdem spürbar. Traurigkeit legte sich über ihr Gesicht.
    Später sagte sie: »Ich weiß noch nicht, was ich machen werde, wenn Clarissa in die Pubertät kommt, in das Alter, in dem man bildhübsche Popstars bei MTV und deren Kopien auf dem Schulhof anhimmelt. Dann werde ich ziemlich überflüssig sein, die Krystle Carrington von Hiddensee. Ein bisschen bin ich das jetzt schon. Ich werde die Möllers und die Müllers, die Schneiders und die Schreiners zum Essen einladen und von ihnen eingeladen werden. Ich werde beim Teekränzchen zwischen Architektengattinnen sitzen, deren Gesichtshaut so glatt, weich und getönt wie Scheiblettenkäse ist. Mit ihren perfekten Händen blättern sie in der Vogue und der Elle . Das wird wie bei Sex and the City , nur ohne Sex und City. Dann werde ich an einen Nachmittag mit einem hübschen Bengel von Schriftsteller zurückdenken, daran wie wir am Meer nebeneinanderlagen und über das Leben sprachen. Ich weiß nicht … Geht es dir manchmal auch so, dass du das Gefühl hast, du wärst nicht im richtigen Leben? Du wärst irgendwo falsch abgebogen, weißt nur leider nicht, wo? Du spielst bloß eine Rolle? Am meisten Angst habe ich davor, dass meine Rolle irgendwann zur Wirklichkeit wird.«
    Sie füllte ihr Glas auf.
    »Ach was, ist egal. Vergiss, was ich gerade gesagt habe.«
    Nach einem großzügigen Schluck veränderte sich ihre Stimmung schlagartig. Sie wandte sich Timo zu.
    »Na, wie hört sich das für dich an? Ich ahne, was dir jetzt durch den Kopf geht: die gelangweilte Frau in der Krise, der junge Held, eine stille Bucht im September … Du glaubst, ich sei geil auf einen schlanken, schattenlosen Jüngling. Du glaubst, ich sei so etwas wie die Kurtisane der Ostsee, und ich hätte dich hierhergebracht, um dich zu verführen. Vögeln im Vogelschutzgebiet. Das glaubst du doch, oder?«
    »Ja«, sagte er und konnte kaum glauben, dass er es gesagt hatte. »Ja, das glaube ich wirklich, außer das mit der Kurtisane der Ostsee, die bist du nicht. Für mich bist du eher die … die Venus der Ostsee.«
    Sie kippte die goldfarbene Flüssigkeit aus ihrem Glas in den Sand. »Venus, von wegen! Was mache ich hier eigentlich? Warum rede ich

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