Das Nest der Nadelschlange
ragte zwischen seinen Schulterblättern hervor.
Armos glaubte nicht, dass ihm noch zu helfen war, allerdings zeigte sich, dass die Lebensgeister ihn auch noch nicht gänzlich verlassen hatten. Als die Schergen ihn vorsichtig vom Pferd hoben, wurde er von einem trockenen Husten geschüttelt. Blut quoll aus seinen Mundwinkeln.
Der Schmied war nahe genug, selbst jedes leise gesprochene Wort verstehen zu können. Eine der Wachen redete ununterbrochen auf den Sterbenden ein, um zu erfahren, was geschehen war.
Endlich antwortete der Mann, stockend zwar, aber doch recht gut verständlich. Allerdings konnte wohl niemand viel damit anfangen. Da war die Rede von der Blutquelle, von einer riesigen Dämonenfratze, die Galle und Geifer spie und das Wasser vergiftete.
»Caer.« Ein letztes Aufbäumen ging durch den geschundenen Körper.
*
Der Zeitpunkt des Ausschlüpfens war nahe. Sobald der Mond seine volle Größe erreicht hatte, würde sich vollziehen, was nur alle zwanzig Winter einmal geschah. Schon war die Schale der Eier dünn, und dahinter zeigte sich das pulsierende Leben, das sich anschickte, die schützende Wärme zu verlassen, um die Herrschaft anzutreten. Die Brut würde lernen müssen, bis es nichts mehr gab, was ihr widerstehen konnte.
Drei riesige Eier. Sobald sie zerbrachen, unter dem heftigen Schlag der noch weichen Giftdornen splitterten, benötigte das neue Leben Nahrung.
Dafür, dass es sie reichlich vorfinden würde, war wohl gesorgt - auch wenn ein Teil der Beute plötzlich widerstrebte.
*
Der brennende Blick aus zwei riesigen, starren Schlangenaugen ließ ihn schnell verstummen. Verflogen war der eben noch durchlebte Rausch. Zurück blieb nur das dumpfe Gefühl, betrogen worden zu sein.
Aber wo war Syrina?
Mythor erinnerte sich plötzlich wieder der Worte Gwasamees, der Kometenfee: Einst wirkten mehrere von meiner Art auf dieser Welt. Doch sind sie längst endgültig vergangen.
Wem hatte er dann seine Liebe geschenkt? Einem Boten des Bösen, einem weiblichen Dämon, der ihn umgarnen und an seinem weiteren Weg hindern sollte?
Er vermochte es nicht zu glauben. Ein so berauschendes Wesen konnte kein Werkzeug der finsteren Mächte sein. Immerhin hatte er das Gute an ihr gespürt, ihre Bereitschaft, mit ihm zu gehen. »Nein«, wollte Mythor schreien, aber es wurde nur ein heiseres Krächzen daraus.
Die Schlange hielt ihn in eiserner Umschlingung gefangen. Nur wenige Schritte von sich entfernt sah der Krieger eine reglose Gestalt auf einem Geflecht aus Zweigen, Gras und Laub liegen. Die Kleidung des Mannes - es mochte ein langes, helles Gewand mit einer Kapuze gewesen sein - war zerfetzt und blutbefleckt. Eine breite und tiefe Wunde, wie von einem kraftvoll geführten Schwertstreich, zog sich über seinen Oberkörper.
Grauen beschlich Mythor, als er sich beim Anblick des Leichnams klar darüber wurde, dass auch ihm dieses Schicksal bevorstand. Er war hilflos. Wenn er wenigstens Alton bei sich gehabt hätte, aber das Gläserne Schwert hatte er in Syrinas Gemach abgelegt.
Eine unheimliche Macht schien ihn in ihren Bann zu ziehen. Er wurde ruhiger, je länger der Blick der Schlangenaugen auf ihm ruhte. Weshalb sollte er sich sorgen? Er würde seine Bestimmung finden, hier in den Mauern eines uralten Tempels. Nicht viele waren auserwählt, Teil des neuen Lebens zu werden.
Da war Syrinas Stimme wieder, die ihn lockte. Mythor wusste nicht zu sagen, ob er sie wirklich hörte oder ob sie in seinem Inneren entstand wie ein Traum, den man manchmal für wirklich hält.
Verzweifelt wehrte er sich gegen den einschläfernden Einfluss, den diese Stimme auf ihn ausübte. Es fiel ihm schwer. Alles um ihn herum schien zu verschwimmen. Da war nur noch eine flüchtige Bewegung, ein leises Rascheln, das schnell näher kam und von dem gleichzeitig eine tödliche Bedrohung ausging.
Komm!
Syrinas warmer, weicher Körper nahm Mythor das Bewusstsein der nahen Gefahr. Schon glaubte er wieder die Berührung ihrer nackten Haut zu spüren, ihren Atem an seinem Ohr.
Der Schrei des Bitterwolfs ließ auch diese Illusion zersplittern wie sprödes Glas.
Unmittelbar vor sich sah der Krieger den Schwanz der Schlange. Ein unterarmlanger, dicker Stachel, der in einer nadelscharfen Spitze endete, reckte sich ihm entgegen. Eine grünliche Flüssigkeit tropfte daraus hervor. Gift! durchfuhr es ihn.
Von oben her schob sich der Kopf des Bitterwolfs in sein Blickfeld. Hark ließ ein gefährliches Knurren hören, aber er zögerte
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