Das Nest des Teufels (German Edition)
Weibchen riss die Augen auf und streckte sich. Das Männchen zeigte kein Interesse, es war ja bereits Ende April, die Paarungszeit war vorüber. Als ich die zwanghafte Wanderung des Männchens beobachtete, trat mir der Schweiß auf die Stirn. Ich musste weg von hier, bevor ich etwas tat, was ich später bereuen würde. Es war nicht meine Sache, die Tiere zu befreien, aber ansehen konnte ich sie auch nicht länger.
«Ich muss mal zur Toilette», sagte ich zu Saara und Vanamo. «Kommt ihr mit?»
«Ich möchte mir die Luchse noch angucken. Hey, der eine kommt wieder zu uns.»
Saara blieb bei ihrer Tochter. Ich brauchte eigentlich gar keine Toilette, ich wollte nur weg von den Käfigen. Der Form halber ging ich mir die Hände waschen. Als ich wieder nach draußen kam, sah ich einen Mann vor dem Café stehen. Es war Bruder Gianni, oder eher Jaan Rand, denn er trug Jeans, Turnschuhe und einen schwarzen Anorak. Er blickte zwei Mädchen nach, die höchstens zehn waren. Mich packte die Wut. Der perverse Kerl war auf derselben Insel wie meine Schwester! Ich eilte mit langen Schritten zu ihm und packte ihn so fest an der Schulter, dass er sich zu mir umdrehen musste.
«Schau an, der fromme Mönch ist dem Kloster entflohen und nimmt schon wieder kleine Mädchen aufs Korn!»
Ich bemühte mich, die Stimme zu dämpfen, ich wollte keine Szene machen. Von mir aus hätte zwar die ganze Welt erfahren dürfen, was für ein Kotzbrocken Rand war, aber ich selbst wollte nicht auffallen.
«Hilja! Könntest du bitte meine Schulter heil lassen?» Jaan legte seine Hand auf meine, und mein Körper spannte sich abwehrbereit. Ich ließ jedoch los.
«Ich habe gemerkt, wohin du geguckt hast. Hier ist ja auch der ideale Ort, um kleine Mädchen zu beobachten. Ein Reitstall wäre vielleicht noch besser, da wimmelt es ja geradezu von zärtlichkeitshungrigen Mädels. Aber vielleicht ist man dort so schlau, sie vor bösen Onkeln zu warnen. Hier auf der Insel gibt es genug Büsche, hinter denen du wichsen kannst. Hast du schon rausgefunden, welche Tiere die Mädchen am liebsten mögen?»
«Du hast so viel Hass in dir.»
«Für Männer wie dich, ja. Wie viel Schutzgeld haben die anderen Perverslinge dir gezahlt?»
«Du bist leicht hinters Licht zu führen, Hilja, weil du immer das Schlimmste von den Menschen glaubst.»
Ich zuckte zusammen. Mike Virtue hatte vor Jahren etwas Ähnliches gesagt. Ich sei zu misstrauisch für den Leibwächterjob. Aber was hatte er letzten Endes von mir gewusst, und was verstand Rand schon von mir?
«David hat dir nicht alles über mich erzählt, weil er seltsamerweise auf deine Urteilsfähigkeit vertraut. Und ich müsste deine Verachtung natürlich ignorieren. Aber ich dachte, du würdest verstehen, dass der Zweck manchmal die Mittel heiligt, wie bei der Explosion der
I believe
. Du liebst David doch, obwohl er vier Menschen getötet hat.»
«Was war denn dein hehres Ziel, als du Minderjährige missbraucht und andere Kriminelle gedeckt hast? Sag bloß nicht, du wolltest nur Liebe geben, sonst spuck ich dir ins Gesicht.»
Rand erbebte. Seine linke Hand fuhr hoch und strich eine Haarsträhne aus der Stirn. Er zog den Gummi von seinem Pferdeschwanz und versuchte seine Haare neu zu bändigen.
«Wollen wir an einen etwas ruhigeren Ort gehen, zum Aussichtsturm vielleicht? Du solltest ein paar Dinge wissen. Ich kann mir gut vorstellen, dass Teppo Laitio mich als ziemliches Scheusal hingestellt hat. Oder hast du die Geschichte gar von Rytkönen gehört? Dem kam mein Sündenfall gerade recht.»
«Sündenfall, dass ich nicht lache», schnaubte ich, folgte Rand aber auf dem Pfad zum Aussichtsturm. Dort oben waren jedoch Leute, und so führte er mich zu einer geschützten Felsnische am Ufer. Rand wirkte zart und freundlich, aber er war ein Expolizist, der mit Kriminellen gemeinsame Sache gemacht hatte. Ich würde nicht zulassen, dass ich zwischen ihn und das Meer geriet. Die Frühjahrssonne hatte die Felsen zwar getrocknet, doch die bemoosten Stellen konnten immer noch rutschig sein. Ich setzte mich auf einen Holzblock und stützte die Ellbogen auf die Knie. Rand nahm neben mir Platz. Der Wind warf mir das Ende seines lila Schals ins Gesicht. Rand zog es hastig weg.
«Du weißt offenbar nicht, dass Laitio gestorben ist?» Ich hatte nicht angenommen, dass diese Information Rand sonderlich viel bedeutete, auch wenn er Laitio gekannt hatte. Doch er wurde blass.
«Gestorben? Wann?»
«Er hat sich vor ein paar Tagen
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