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Das Nest des Teufels (German Edition)

Das Nest des Teufels (German Edition)

Titel: Das Nest des Teufels (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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bekam ich einen Anruf. Da mir die Nummer unbekannt war, meldete ich mich nicht, sah aber, dass der Anrufer eine Nachricht hinterließ.
    «Hier ist Jani Suutarinen, der Schwiegersohn von Teppo Laitio. Ruf mich bitte so bald wie möglich zurück.»
    In einer Stunde musste ich mit Julia zum Sans Nom fahren. Meine Finger wollten die Taste nicht treffen, unter der ich Suutarinens Nummer finden würde. Aber ich musste anrufen, ich musste die Wahrheit erfahren.
    «Suutarinen.»
    «Hilja Ilveskero. Du hast um Rückruf gebeten.»
    «Offenbar hast du meinem Schwiegervater nahegestanden – Hauptmeister Teppo Laitio.»
    «Du sprichst in der Vergangenheit?» Obwohl ich die Nachricht erwartet hatte, war es niederschmetternd, sie zu hören.
    «Teppo ist gestern Abend gestorben. Er hat einen Brief hinterlassen, in dem er darum bittet, dir seinen Tod mitzuteilen. Du weißt wohl, dass er schwer krank war und nur noch einige Monate zu leben hatte?»
    «Ja.»
    «Teppo ist allerdings nicht an der Krankheit gestorben. Er hat sich erschossen.»
    Ich stieß einen entsetzten Schrei aus, wie es sich in dieser Situation gehörte. «Erschossen? Warum?»
    «Er wollte selbst bestimmen, wann er geht, und die Karwoche hatte seiner Meinung nach das passende Flair. Wir wissen nicht einmal, woher er die Waffe hatte. Seine Dienstwaffe war es nicht, die hatte er abgeben müssen. Aber ein Polizist kennt wohl Mittel und Wege.»
    «Was stand sonst noch in dem Brief?»
    «Nicht viel. Er war an Raila gerichtet, seine Frau. Sie hat ihrer Tochter und mir erlaubt, ihn zu lesen, aber außer uns geht der Inhalt niemanden etwas an. Wir haben noch nicht entschieden, wann die Beerdigung sein soll und ob sie im engsten Familienkreis stattfindet. Soll ich dich benachrichtigen, wenn die Feier öffentlich ist?»
    «Ja, bitte. Und danke für den Anruf, auch wenn es keine erfreuliche Nachricht war. Richte deiner Frau und deiner Schwiegermutter mein Beileid aus. Wie geht es den beiden?»
    «Sie sind am Boden zerstört, wie du dir sicher vorstellen kannst. Obendrein erwartet meine Frau Zwillinge. Sie ist im Moment zur Beobachtung in der Klinik. Ich muss jetzt zu ihr. Auf Wiederhören.»
    Jani Suutarinen legte auf, bevor ich noch etwas sagen konnte. Ich setzte mich auf mein Bett. Ich weinte nicht. Laitio hatte getan, was er tun wollte. Warum sollte ich über seine Tat trauern, wenn sein Leben ohnehin bald geendet hätte? Außerdem musste ich jetzt an eine Hochzeit denken, nicht an eine Beerdigung. Wenn ich Laitio die Waffe nicht geliefert hätte, hätte er sie von einem anderen bekommen. Und ich hatte sie ihm ja gar nicht gebracht, das hatte Reiska getan. Reiska war ein praktisch veranlagter Mann, der wusste, dass man einen Fisch sofort von der Angel nehmen und totschlagen musste, und der auch den Angelwürmern nicht nachtrauerte. In der Natur war der Tod alltäglich.
    Es klopfte.
    «Hilja, bist du da?» Juris Stimme trieb mir die Tränen in die Augen. Ich brachte nur einen undefinierbaren Laut heraus, den Juri als Einladung auffasste.
    «Was ist passiert?»
    «Laitio. Gestern.» Ich stand auf, und Juri nahm mich in die Arme. Wir klammerten uns aneinander, denn wir hatten beide das Bedürfnis, einen lebenden, warmen Körper zu spüren. Ich legte den Kopf an Juris Schulter, er streichelte mir die Haare und den Rücken, und diesmal war er der Stärkere, obwohl auch er schlucken musste. Laitios Stimme hallte in meinem Kopf, sie wiederholte, was er mir kurz vor Weihnachten im Krankenhaus gesagt hatte: «Du bist zwar nicht meine Tochter, aber manchmal ist Blut eben doch nicht dicker als alles andere. Ich mag dich ziemlich gern, Hilja.» Ich brauchte die Erinnerung an diese Worte als Bestätigung dafür, dass ich richtig gehandelt hatte. Ich hatte sonst nichts, was mich an Laitio erinnerte, nicht einmal ein Foto. Nur Worte und Zigarrenrauch.
    «Juri», murmelte ich, «kannst du ein Bild von Laitio malen?»
    «Ja, wenn du es möchtest. Ich sehe ihn die ganze Zeit vor mir. Es hat nichts geholfen, das eine Bild zu verbrennen. Laitio und Rytkönen erscheinen mir ständig im Traum.»
    «Male Laitio für mich.» Ich küsste Juri auf die Wange und löste mich von ihm. «Ich muss mich zurechtmachen, Julia und ich fahren zum Sans Nom.»
    «Lass uns heute Abend eine Kerze für ihn anzünden.»
    «Wo?»
    «In der Kirche natürlich.»
    «Die Kirchen sind in Finnland nicht Tag und Nacht geöffnet. Sonst würden sich ja alle möglichen Obdachlosen und Asozialen da einnisten, und Bewachung ist

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