Das Nest des Teufels (German Edition)
in die Städte treiben will. Ein Ausflug nach Helsinki ist ja ganz schön, aber wohnen könnte ich hier nicht. Zu viele Menschen.»
«Und unsere Katzen dürften nicht frei laufen», seufzte Vanamo. «Außerdem beschweren sich die Leute hier über Hundehaufen, obwohl die doch nur Kompost sind. Komisch.»
Ich lachte auf. Saara und Vanamo waren nur durch mich mit Onkel Jari verwandt, aber sie dachten so wie er.
«Aber Hilja wohnt gern hier», fuhr Vanamo fort. «Und du bist schon wer weiß wo gewesen. Mama hat versprochen, dass wir im nächsten Sommer eine Kreuzfahrt nach Schweden oder nach Tallinn unternehmen. Aber auf den Schiffen gibt es so viele Krachmacher und Betrunkene.»
Saara lächelte mir hinter Vanamos Rücken zu. Die Kleine fragte verwundert, warum auf dem Markt Pelzmützen verkauft wurden, obwohl schon fast Sommer war. Auf der Fähre wollte sie unbedingt an Deck sitzen, es machte ihr nichts aus, dass der Frühlingswind recht frisch wehte. Sie brauchte noch nicht die Gelangweilte zu spielen, die schon alles gesehen hat, und betrachtete die Mitreisenden mit freundlicher Neugier. Ich war so gewesen wie sie, bis Frida starb. Damals hatte ich gelernt, zu trauern.
Vanamo war infolge eines Verbrechens geboren worden, aber sie war noch nicht fähig, zu begreifen, wie entsetzlich die Geschichte ihrer Entstehung war. Diese Unschuld würde wohl nicht mehr lange vorhalten. Ich wollte in ihrer Nähe sein, wenn sie erkannte, welche schrecklichen Taten unser gemeinsamer Vater begangen hatte, und ihr sagen, dass das Blut, das in ihren Adern floss, dennoch nicht schlecht und schmutzig war. Oder wollte ich das letztlich mir selbst sagen? Wenn es für Vanamo galt, dann doch auch für mich.
Wir wanderten durch den Zoo, betrachteten die Robbenfütterung und die aus dem Winterschlaf erwachten Bären. Hinter dem Haus der Huttunens war vor einigen Jahren im Herbst ein Bär aufgetaucht, der sämtliche Hunde in der Umgebung in Rage versetzt hatte. Vanamo war danach wochenlang mit dem Auto zum Schulbus gebracht worden, und einige Nachbarn hatten sogar überlegt, trotz Verbot Jagd auf den Bären zu machen.
«Mama hat zu ihnen gesagt, der liebe Gott hat auch die Bären erschaffen, aber Onkel Pietari hat behauptet, Gott hätte den Menschen zum Herrscher über die Tiere eingesetzt, und deshalb dürfe der Mensch mit ihnen tun, was er will. Was meinst du, Hilja?»
«Ich würde nur im Notfall auf einen Bären schießen. Aber wenn ich wählen müsste, ob ich dich rette oder den Bären verschone, dann würde ich mich für dich entscheiden.» Ich spürte das Gewicht der Waffe an meiner Achsel und musterte die Gesichter der Vorbeigehenden. Wie konnte ich an ein aktuelles Foto von Keijo Kurkimäki kommen? Ich musste doch wissen, wie der Mann aussah, vor dem meine Schwester und ich uns hüten mussten.
Natürlich wollte Vanamo die Luchse sehen, und auch mich zogen sie an wie Stammesverwandte. Mein Puls ging schneller, und die Nackenhaare stellten sich auf, und meine Nüstern blähten sich. Zuerst war nur ein Luchs zu sehen. Er ruhte in der Sonne neben einem Stein, die Augen verengt, in der Haltung einer Sphinx. Seine Ohren bewegten sich langsam, aber im Übrigen schien sich das Tier nicht um seine Umgebung zu scheren. Auf der Futterbank sah ich Fleischklumpen liegen. Bekamen die Raubkatzen immer noch Stadtkaninchen zu fressen? Da hatten sich die Bürokraten endlich einmal eine vernünftige und ökologische Lösung einfallen lassen: Die schädlichen Tiere wurden als Luchsnahrung recycelt. Die Käfigtiere konnten selbst keine Kaninchen erbeuten, in freier Wildbahn würden sie nicht überleben. Dennoch schlug mein Herz schneller, als der nächste Luchs zum Vorschein kam. Es war ein Männchen, das an der Einzäunung entlangstrich. Es kümmerte sich ebenfalls nicht um die Zuschauer, obwohl Vanamo versuchte, seine Aufmerksamkeit zu wecken.
«Guck mal, Hilja! Er kommt ganz nahe! Ach, wenn ich ihn doch streicheln könnte!»
Aus dem Luchsgehege stieg der vertraute Uringeruch auf. Wir hatten immer gewusst, wann Frida läufig war, denn dann urinierte sie häufiger, und der Geruch war intensiver, obwohl Luchse ihre Ausscheidungen verscharren wie die Katzen. Frida hatte nachts geheult, nach einem Partner gerufen, und sie hatte auch einen gefunden, wenigstens für eine Nacht, doch aus dieser Begegnung waren keine Jungen hervorgegangen, denn Frida war noch nicht ganz geschlechtsreif gewesen.
Das Luchsmännchen setzte seinen Streifzug fort, und das
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