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Das Nest des Teufels (German Edition)

Das Nest des Teufels (German Edition)

Titel: Das Nest des Teufels (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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überrascht.
    «Sind wir aus dem gleichen Grund hier?», fragte er breit lächelnd. «Ich habe auch vergessen, eine frische Unterhose mitzunehmen.» Hannula trug nichts weiter als ein Frotteehandtuch in der Art eines Wickelrocks, das von einem breiten Klettband gehalten wurde. Hellbraunes Kräuselhaar bedeckte Brust und Bauch und kaschierte die beginnende Erschlaffung der Brustmuskeln.
    «Entschuldigung, ich wollte nicht stören.»
    «Ich bin es doch, der dich aus deinem Zimmer vertrieben hat. Dabei wäre das Bett ja breit genug für zwei. Was sich verträgt, das findet immer Platz.»
    Der Mann stand zwischen mir und der Tür. Er war etwa zehn Zentimeter kleiner als ich. Man sah ihm an, dass er Sport trieb, aber ich bezweifelte, dass er es mit meinen Judokünsten aufnehmen konnte. Bei Bedarf würde ich von ihnen Gebrauch machen.
    «Escort-Service gehört nicht zu meinen Aufgaben.» Ich bemühte mich, die Worte klirren zu lassen wie Eiszapfen, und ging resolut zur Tür. Hannula war so verblüfft, dass er mich vorbeiließ, und so erfahren, dass er mir keine Schmähungen nachrief.
    Der Abend schritt voran, Syrjänen und seine Gäste wurden immer betrunkener. Julia ging kurz nach Mitternacht schlafen. Ich beschloss, auch ohne Befehl wachzubleiben, denn ich wollte nicht, dass sich irgendeiner der Angeheiterten von der klaren Frühjahrsnacht zum Schwimmen oder Rudern verlocken ließ. In eine Decke gehüllt und einen Becher Tee in der Hand, saß ich auf der zum Meer gelegenen Terrasse, wo ich die Geschehnisse am Ufer verfolgen und gleichzeitig den Tonfall der Gespräche im Haus hören konnte. Bisher sprach niemand aggressiv, allerdings hatte Ulla Beck ihren Mann bereits dreimal gebeten, den nächsten Drink auszulassen. Juri unterhielt sich auf Russisch mit Gezolian, und ich ärgerte mich, weil ich nur hier und da einen Satz verstand. Dann wurde die Musik lauter, und Frau Beck rief, sie wolle tanzen. Ich warf einen Blick über die Schulter und sah, dass sie Juri aufforderte. Die anderen blieben sitzen. Ich hörte Schritte auf der Terrasse.
    «Hübsch, wie die Finnen in den Mai feiern, nicht wahr, Hilja?» Gezolian, der sich auf den Stuhl neben mir setzte, wirkte nüchtern. «Die Leute sind bald so weit, dass sie alles unterschreiben würden. Aber das ist nicht mein Stil, Verträge müssen bei klarem Verstand geschlossen werden. Meinst du nicht auch?»
    «Natürlich.»
    «Wasiljew und ich hätten uns an den Vertrag gehalten. Wozu die Handelsware später verwendet werden sollte, ging mich ja nichts an. Es war wirklich unbedacht von Stahl, sich in anderer Leute Geschäftstätigkeit einzumischen.» Gezolian starrte mir in die Augen, aber durchschauen konnte er mich nicht.
    «Du lieferst mir also das, was ich will, wenn ich zur Hochzeit meiner Tochter nach Finnland komme.»
    «Ja.»
    «Wollen wir zu Ehren der Transaktion tanzen?»
    Ein Tango als Judaskuss, dachte ich, als ich zum Klang des Bandoneons in Gezolians Armen über das Parkett glitt. Er verzichtete zum Glück auf Wiegen und Drehungen, im Gegensatz zu Ulla Beck, die Juri nicht aus den Fängen ließ. Gezolian war ein guter Tänzer, also tanzte ich auch das nächste Stück mit ihm. Mein Körper überließ sich seiner Führung, doch meine Seele war weit entfernt, und mein Gehirn bemühte sich, alles zu speichern, was der Tanz mir über Gezolian verraten konnte. Sein Gleichgewichtssinn war gut ausgeprägt, denn er fing sich sofort, als Ulla Beck gegen seinen Rücken prallte und uns beinahe umgeworfen hätte. Joel Beck lag halb weggetreten im Sessel, Syrjänen und Hakulinen beschlossen, sich noch einen Schlummertrunk aus der Whiskykaraffe zu genehmigen. Auf der Toilette übergab sich jemand, offenbar hatte Frau Hakulinen ihr Maß überschritten. Durch den Türspalt erhaschte ich einen Blick auf Make Hannula, der mit dem Handy am Küchentisch saß und inbrünstig über unser schönes Vaterland sprach. Allem Anschein nach gehörte es zum Handwerk eines Politikers, den Medien auch in der Nacht zum ersten Mai und in betrunkenem Zustand Statements zu liefern.
    Als das nächste Stück endete, sah Juri mich an wie ein Reh, das von Autoscheinwerfern in die Enge getrieben wurde. Ulla Beck hinkte plötzlich.
    «Ich bin umgeknickt! Au, es tut so weh!», brabbelte sie und verzog gequält das Gesicht. Sie war betrunken genug, dass die Lüge in ihren Ohren glaubwürdig klang. «Ich kann nicht auftreten. Juri, hilfst du mir ins Schlafzimmer? Mein Mann scheint im Sessel zu

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