Das Nest des Teufels (German Edition)
Deividas?»
«Er wird bald neun.»
Ich schluckte. Der Junge war so alt wie meine Schwester Vanamo.
«Wohin hast du ihn gebracht?»
«In Sicherheit. Zu Bruder Gianni, also zu Jaan Rand, ins Kloster Sant’Antimo in der Toskana.»
Ich starrte David entgeistert an. Er hatte wieder einmal einen Wahnsinnsfehler begangen.
«Jaan Rand ist pädophil! Dem hast du deinen Sohn überlassen?»
Davids Barthaare bewegten sich. Ihre Stellung verriet mir, dass er lächelte.
«Offenbar hat man dich über Bruder Giannis Schwäche ins Bild gesetzt. Er ist Mönch geworden, um sie zu bekämpfen. Außerdem mochte er nur Mädchen, keine Jungen. Deividas ist in Sant’Antimo in Sicherheit.»
Ich erinnerte mich an Bruder Giannis Engelslocken und an seine makellos weiße Mönchskutte. Wie konnte David ihm vertrauen? Ich würde Vanamo niemals in seine Nähe lassen.
Ich senkte den Kopf, weil ein starker Windstoß mich umzuwerfen drohte. David hielt seine Mütze fest. Bald würde die Kälte meine Beine lähmen und die Abfahrt noch schwieriger machen. Die Stelle an meiner Wange, die ich mir als Kind erfroren hatte, war schon völlig taub. Der Skihelm hielt zwar den Wind ab, aber die Mütze, die ich daruntertrug, war nicht warm genug.
«Was in aller Welt tust du hier als Chauffeur von diesem mysteriösen Chagall?»
«Dasselbe könnte ich dich fragen. Wie in aller Welt bist du in Iwan Gezolians Gesellschaft geraten? Ich weiß, dass du irgendetwas mit Juri Trankow zu tun hast und dass er in Usko Syrjänens Dienst steht, aber das ist alles.»
«Ich hatte keine Ahnung, dass Julia Gerbolt Gezolians Tochter ist. Das habe ich erst gestern Abend erfahren. Ich habe mich als Julias Leibwächterin anheuern lassen, weil ich Arbeit brauchte. Mein Konto war leer, ich habe kein gestohlenes Geld, mit dem ich durch die Weltgeschichte reisen könnte.»
David kam näher, er stellte sich zwischen mich und den immer stärker werdenden Wind. Sein Bart und seine Haare sahen echt aus, er war schon im letzten Frühjahr in Montemassi dunkelhaarig gewesen. Ich wehrte mich nicht, als er mich an den Schultern fasste und an sich zog.
«Hilja … wir müssen reden. Ich wohne in einem Etagenhaus in Leysin. Komm heute Nacht zu mir, wenn du es irgendwie einrichten kannst. Ich bin nicht Chagalls regulärer Chauffeur, sondern nur eine Vertretung. Der eigentliche Fahrer hat ein dreifaches Gehalt dafür bekommen, dass er sich angeblich den Arm gebrochen hat, und der Arzt hat für die unbegründete Krankschreibung zehntausend Franken erhalten. Ich wusste, dass Gezolian herkommen wollte, aber von deiner Anwesenheit hatte ich keine Ahnung. Ich war gestern genauso von den Socken wie du.»
Ich sah, dass ein Grüppchen zum Gipfel heraufkam. Es wirkte unverdächtig: zwei Männer und zwei Frauen in winterlicher Sportkleidung und mit Sonnenbrillen. Trotzdem wollte ich nicht, dass sie sahen, wie ich David umarmte. Ich machte mich von ihm los.
«Wo im Dorf finde ich dich? Allerdings weiß ich noch nicht, was Julia am Abend vorhat.»
Ich machte mich an den Abstieg. Er war schwieriger als der Aufstieg, meine Stiefel fanden keinen Halt auf dem glatten Schnee, und ich musste die Bein- und Bauchmuskeln aufs äußerste anspannen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren und den Hang hinunterzurollen. David folgte mir, und als wir die Vierergruppe passiert hatten, nannte er mir seine Adresse. Ich holte mein Handy hervor. Meine Finger waren vor Kälte so steif, dass ich kaum tippen konnte, und der Akku leerte sich zusehends.
«Ich versuche zu kommen. Aber sag mir noch eins, für den Fall, dass es nicht klappt: Warum hast du mir den Ring zugespielt? Woher wusstest du, dass meine Mutter so einen hatte? Oder ist es etwa ihr Ring?»
«Auch ich habe sentimentale Momente. Ich wollte, dass dir eine Erinnerung an mich bleibt. Es ist nicht derselbe Ring, ich habe ihn nach einem Foto anfertigen lassen. Ich war bei einer Schulfreundin deiner Mutter in Siuntio und durfte mir ein Album ausleihen, in dem sich ein Jugendbild von deiner Mutter befand. Danach habe ich den Ring kopiert, so gut ich konnte.»
«Warum hast du diese Tiina Mäkelä ausgefragt? Ich war auch bei ihr, und sie hat mir von deinem Besuch erzählt. Und von der albernen Geschichte, die du ihr aufgetischt hast.»
David strich mir mit dem Handschuh über die Wange.
«Dein Vater bleibt nicht ewig hinter Gittern. Seine Freilassung rückt näher. Ich wollte herausfinden, wie gefährlich er heute noch ist.»
«Traust du mir nicht zu,
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