Das Nest des Teufels (German Edition)
würde. Aber Hauptsache, ich bekam das Wochenende frei. Juri hatte mir seinen Wagen geliehen, und ich war überzeugt, dass er einen Gegendienst erwartete. Ich hatte den Tempomat eingeschaltet, sobald auf der Autobahn die Höchstgeschwindigkeit auf hundertzwanzig stieg, denn der Motor des Jaguars schnurrte so leise, dass die Tachonadel bald zweihundert und mehr angezeigt hätte, wenn ich mich nicht zügelte. Mit diesem Wagen wäre ich gern einmal über die sechsspurigen Autobahnen in Deutschland oder Italien gerast, um zu testen, für welches Tempo mein Schneid reichte.
Das erste Kind von Saaras ältestem Bruder hatte Abitur gemacht, und Vanamo hätte eigentlich mit ihrer Familie zur Feier nach Kiuruvesi fahren sollen, aber ich hatte Saara schließlich überreden können: Vanamo durfte mit mir nach Hevonpersiinsaari fahren und dort übernachten. Am frühen Abend des nächsten Tages würde ich sie zurückbringen. Saaras Eltern waren schon vorgefahren, sie selbst würde ihnen nach der Abschlussfeier an Vanamos Schule folgen. Ich merkte, dass ich nervös war. Zum ersten Mal würde ich mit meiner Schwester allein sein. In der vorigen Nacht hatte sie darauf bestanden, dass ich auf dem Fußboden in ihrem Zimmer schlief, obwohl die Huttunens einwandten, auf dem Sofa in der Wohnstube hätte ich es viel bequemer.
Der Jaguar erregte auf dem Schulhof reichlich Aufsehen, und Vanamo kletterte stolz auf den Beifahrersitz. Es war Juris Glück, dass er nicht wusste, welche Holperwege seinem Wagen auf dem letzten Teil der Strecke zugemutet wurden. Maija Hakkarainen hatte mir berichtet, dass der Bodenfrost einige Schäden angerichtet hatte, die von den Lastern auf dem Weg zu den Baustellen in der Nähe noch verschlimmert wurden. Ich musste den Jaguar unbedingt durch die Waschanlage schicken, bevor ich ihn Juri zurückgab.
Die Lebensmittel hatte ich schon am Vortag eingekauft, Maija hatte versprochen, Eier und karelische Piroggen zu bringen und dafür zu sorgen, dass in der Hütte alles in Ordnung war. Ich hatte es geschafft, ihr den Code der Alarmanlage beizubringen; für Matti wäre das viel zu kompliziert, meinte sie.
Auf der Fahrt erzählte ich Vanamo, was wir alles unternehmen konnten. Wir stellten ein richtiges Programm zusammen. Wir würden natürlich die Tiere auf dem Hof der Hakkarainens besuchen, rudern und in die Sauna gehen. Vanamo wollte Fridas Grab sehen, vielleicht trugen die Rosen, die ich darauf gepflanzt hatte, schon Knospen, denn der Frühling war warm gewesen. Als wir unser Ziel erreicht hatten, vertauschten wir die Festkleidung mit Ferienklamotten. Verstohlen nahm ich die Glock aus der Handtasche und steckte sie in den Hosenbund, wo sie unter dem weiten Hemd zwar nicht zu sehen war, aber unangenehm gegen das Steißbein drückte.
Ich war Mike Virtues Rat, Verbindung zu Keijo Kurkimäki aufzunehmen, nicht gefolgt. Je mehr ich darüber nachdachte, desto weniger Lust hatte ich, ihm zu begegnen. Eine Stimme in meinem Innern fragte nörgelnd, wieso ich dann Zeit mit Vanamo verbringen wollte. Sie sei doch nur dann meine Schwester, wenn ich Kurkimäki als Vater akzeptierte. Ich brachte die Stimme rasch zum Schweigen.
Als ich Vanamos Treiben beobachtete, fühlte ich mich in meine eigene Kindheit zurückversetzt. Auch sie bemerkte die Blumen am Wegrand und die Tautropfen auf dem Frauenmantel, wunderte sich, als ein Buchfink einen Ton zu wenig zwitscherte, und schätzte anhand der Blüten die zu erwartende Ausbeute an Walderdbeeren ab. Vielleicht waren wir beide einfach nur dazu erzogen worden, dieselben Dinge wahrzunehmen, vielleicht hatten ihre Mutter und ihre Großeltern eine ähnliche Auffassung von der Natur wie mein Onkel Jari, auch wenn Onkel Jari nie von der Rolle Gottes als Schöpfer der Wunder der Natur gesprochen hatte. An den anderen möglichen Grund für unsere identische Wahrnehmung wollte ich nicht denken.
Als wir den Hakkarainens guten Tag sagten, staunte Maija: «Du lieber Himmel, das Kind sieht genauso aus wie du, als du klein warst, es hat noch mehr Ähnlichkeit mit Keijo als du!» Dann schlug sie die Hand vor den Mund und umarmte Vanamo. Der neue Hund der Hakkarainens, ein Irish Soft Coated Wheaten Terrier namens Teddy, lief zwischen Vanamo und mir hin und her, um Bekanntschaft zu schließen und uns vorzuführen, wie liebenswert er war. Vanamo spielte mit dem Hund, als kenne sie ihn schon immer, und ich lachte so über das Toben der beiden, dass mir der Bauch wehtat.
Als Matti mit Vanamo zur
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