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Das Nest des Teufels (German Edition)

Das Nest des Teufels (German Edition)

Titel: Das Nest des Teufels (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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hätte ich denn davon? Ich will ihn schlicht und einfach nicht sehen.»
    «Vielleicht willst du es nicht, aber es kann trotzdem passieren. Ist es nicht besser, selbst zu entscheiden, wo und wann du ihm begegnest? Ich würde das als vorbeugende Maßnahme bezeichnen.»
    Wir gingen weiter am Ufer entlang, ich vermied den direkten Weg zum Hotel. Im Kulturzentrum gab es offenbar ein Konzert, denn vor dem Gebäude standen rauchende Teenager in Kapuzenjacken, und jedes Mal, wenn die Tür aufging, drang das Dröhnen der Bässe heraus. Ein Pfandflaschensammler durchwühlte die Abfalleimer. Sollte ich Mike von David erzählen? Ich hatte große Lust dazu, doch mein Verstand riet mir davon ab. Ein Geheimnis ist umso besser, je weniger Menschen es kennen. War auch das Mikes Philosophie?
    An der nächsten Straßenecke bogen wir nach Norden ab, dann wieder nach Osten, Richtung Bulevardi. Bei meinem verdammten Pech kam uns natürlich Trankow entgegen. Er war ganz in Weiß gekleidet, und da er seine Joggingrunde gerade erst begonnen hatte, wies seine Kleidung nicht den kleinsten Schweißfleck auf. Ich versuchte ihm mit den Augen zu signalisieren, dass er so tun sollte, als ob wir uns nicht kannten, aber entweder verstand er mich nicht oder wollte es nicht. Er blieb vor uns stehen, und ich dachte zuerst, die Wut in seinen blauen Augen sei darauf zurückzuführen, dass er mich mit einem anderen Mann sah. Doch er rief empört:
    «Rate mal, wen Gezolian zur Hochzeit einladen will! Paskewitsch! Er hat Julia die Gästeliste gemailt, sie lag bei Usko auf dem Schreibtisch.»
    Juri sprach Englisch, denn seine Finnischkenntnisse waren immer noch dürftig. Mike zeigte keine Reaktion, aber mir war klar, dass er jedes Wort im Gedächtnis speicherte.
    «Seltsam. Ich wusste gar nicht, dass die beiden befreundet sind. Mike, das ist Juri Trankow, ein Künstler. Mike Virtue, der Gründer der Sicherheitsakademie Queens.»
    Die Männer schüttelten sich die Hand, dann lief Juri weiter. Mike wartete, bis er außer Hörweite war, bevor er fragte:
    «Wer ist dieser Paskewitsch, der den jungen Künstler so in Rage bringt?»
    «Sein Vater. Die Beziehung zwischen den beiden ist nicht besonders gut.» Ich fügte nicht hinzu, dass auch ich in der Patsche saß, wenn Paskewitsch zur Hochzeit kam. Obwohl ich bei unseren letzten Begegnungen verkleidet gewesen war, würde ich ihn nicht ewig täuschen können.
    Wir erreichten meine Haustür. «Ich wohne hier», sagte ich zu Mike. «Du findest wohl allein zum Hotel, es ist nicht weit, und das Gebäude ist unverkennbar.»
    «Du hast also immerhin so viel Vertrauen zu mir, dass du mir zeigst, wo du wohnst.» Früher hätte das breite Lächeln einen Kranz von Lachfältchen auf Mikes Gesicht gezaubert, jetzt blieb es glatt.
    «Und du so viel zu mir, dass du glaubst, ich zeige dir die richtige Tür. Aber es ist tatsächlich die richtige. Leider kann ich dich nicht hereinbitten, ohne meine Arbeitgeber zu stören.»
    Mike lächelte weiter mit den Augen. «Du lässt doch von dir hören? Ich kann bei Mails auch zwischen den Zeilen lesen.» Er ging mit langen Schritten davon, ohne eine Antwort abzuwarten. Vielleicht wusste er, dass ich nicht die passenden Worte gefunden hätte.
     
    Die letzten Verse des Sommerchorals, der traditionell zum Ende des Schuljahres gesungen wurde, schallten durch die mit Birkenzweigen geschmückte Aula. Vanamo saß mit wichtiger Miene neben mir. Sie war als beste Schülerin der dritten Klasse ausgezeichnet worden. Das hellblaue Kleid hatte Saara ihr in Helsinki gekauft, auf den weißen Stoffschuhen saßen Blumen in der gleichen Farbe.
    Es war schwierig gewesen, mich für den Abstecher nach Ostfinnland freizumachen. Als die Hochzeit näherrückte, bekam Julia mehr und mehr beleidigende SMS und Drohanrufe von den Verwandten ihres ersten Mannes oder wahrscheinlich nur von seiner Schwester, die aber auch unter den Namen der anderen simste. Julias Exschwägerin hatte kein Visum für Finnland, daher war ihre Einreise unwahrscheinlich, aber Syrjänen bestand dennoch darauf, dass Julia nicht allein gelassen werden durfte. Schließlich hatte ich Pete Vesterinen, einen der Männer, die ich als Sicherheitskräfte für das Hochzeitsfest engagiert hatte, als Vertretung angeworben. Pete, mein ehemaliger Kollege bei der Sicherheitskontrolle am Flughafen, war Boxer in der Schwergewichtsklasse, und sein Äußeres machte einen solchen Eindruck auf Julia, dass ich mich fragte, wer letzten Endes Schutz vor wem brauchen

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