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Das Nest des Teufels (German Edition)

Das Nest des Teufels (German Edition)

Titel: Das Nest des Teufels (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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dass ich allein zurechtkomme? Misch dich nicht in meine Angelegenheiten ein, kümmer dich lieber um deine eigenen!» Ich hatte das Plateau erreicht, rannte zu meinen Skiern und schnallte sie an. Jetzt funktionierte die Bindung einwandfrei. David holte mich gerade in dem Moment ein, als ich abfahrbereit war.
    «Hilja, warte! Ich will doch nur dein Bestes!»
    Ohne zu antworten, stieß ich mich ab. Ich wusste, dass ich vorher die Muskeln hätte aufwärmen müssen, doch die Wut brannte wieder so heiß in mir, dass ich die Kälte vergaß. Der Wind schlug mir entgegen und verlangsamte meine Fahrt ein wenig, aber ich hatte dennoch das Gefühl, unkontrolliert über die Piste zu rasen. Zum Glück führte die Strecke bald leicht bergan. Der kleine Hügel bremste das Tempo, doch ich schaffte es bis nach oben, ohne mit den Skistöcken nachzuhelfen. Dann begann die eigentliche Abfahrt. Die Piste war fast leer, die Menschen hatten die Sturmwarnung ernst genommen. Ich bemühte mich, möglichst tief in die Knie zu gehen und die steilsten Stellen zu umfahren.
    Meine Gedanken waren schon verworren genug gewesen, bevor David meinen Vater erwähnt hatte. Ich hatte mir eingebildet, dass er bis an sein Lebensende hinter Schloss und Riegel bleiben würde, und auch Hauptmeister Teppo Laitio schien diese Auffassung zu teilen. Mein Vater saß nicht in einem normalen Gefängnis, sondern in Niuvanniemi, einer psychiatrischen Anstalt für Gefangene, aus der er zweimal ausgebrochen war. Wurde man auch aus einer solchen Anstalt auf Bewährung entlassen? Ich war volljährig, meinem Vater war das Sorgerecht entzogen worden, als er verurteilt wurde, und mir hatte er nie etwas angetan, also würde mich niemand über seine Freilassung in Kenntnis setzen. Würde man Saara Huttunen informieren? In Vanamos Papieren stand, ihr Vater sei unbekannt, obwohl alle wussten, dass der aus dem Psychiatriegefängnis ausgebrochene Keijo Kurkimäki, ehemals Suurluoto, sie gezeugt hatte.
    Ich schaffte es gerade noch, auszuweichen, bevor ich gegen eine Randmarkierung geprallt wäre. Hatte Julia mich absichtlich auf diese lebensgefährliche Piste gelockt? Der Helm schützte meinen Kopf, aber am Berg konnten alle möglichen Unfälle eintreten. Vielleicht handelte Julia im Auftrag ihres Vaters. Gezolian sann auf Rache und hatte womöglich beschlossen, mit mir anzufangen. Danach wäre David an der Reihe.
    Der Berg fiel plötzlich schroffer ab. Ich versuchte zu bremsen, unter meinen Skiern stob Schnee auf. Eine Linkskurve, ein wenig bergan, vielleicht gelang es mir, das Tempo zu drosseln … Plötzlich fuhr ich über eine vereiste Stelle, die Skier fanden keinen Halt, ich geriet in Kipplage. Immer nur Sturzfahrt, steil nach unten, wieso kam mir ausgerechnet jetzt diese Strophe in den Sinn, obwohl mir absolut nicht nach Singen zumute war? Die nächste Kehre nach rechts klappte besser, ich schaffte es, die Skier in die gewünschte Richtung zu lenken. Mein Tempo verringerte sich so weit, dass ich es wagte, mich rücklings fallen zu lassen, obwohl es mir gegen den Stolz ging. Jetzt zählte nur, dass ich mich beruhigte und meinen Atem unter Kontrolle bekam. Ich betrachtete den wolkenlosen, kaltblauen Himmel. Wenn ich die Skibrille abnähme, würde die Sonne mich blenden. In meine Wange war das Gefühl zurückgekehrt. Als Zehnjährige war ich mit Onkel Jari bei mehr als dreißig Grad Frost zum Eislochangeln auf dem Rikkavesi-See gewesen. Ich hatte mit der rechten Seite zum Wind gesessen und nicht gemerkt, dass ich mir eine Erfrierung ersten Grades holte. Die Barsche bissen so gut an, dass wir sowohl Fisch zum Grillen als auch die Zutaten für eine prächtige Fischpastete zusammenbekamen, doch der Preis für das kostenlose Essen war eine bleibende Erinnerung auf meiner Wange.
    Zwei Teenager kurvten so locker über die Piste, dass ich überzeugt war, sie hatten Skilaufen gelernt, noch bevor sie sprechen konnten. Sie hielten bei mir an und fragten etwas auf Französisch. Als ich auf Englisch antwortete, erkundigte sich der eine, ob ich Hilfe brauchte. Ich ließ mir von ihnen hochhelfen und versicherte ihnen, alles sei in Ordnung. Nur gut, dass Julia meine Ungeschicklichkeit nicht gesehen hatte.
    Im Schutz des Waldes ließ der Wind nach, und auch der Abhang war nicht mehr ganz so steil. Plötzlich waren auf der Piste viel mehr Menschen unterwegs, teils auf Skiern, teils auf Snowboards. Die letzten paar hundert Meter rutschte ich auf wackligen Beinen. An der Talstation der Seilbahn

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