Das Nest des Teufels (German Edition)
vertrauten, tiefliegenden hellblauen Augen, unter denen Schatten lagen. Ich mied seinen Blick, denn er war zu viel für mich. Seine Augen luden mich ein, sie aus nächster Nähe zu betrachten, an seinen Lippen zu saugen.
«Auf wessen Rechnung arbeitest du jetzt?», fragte ich schließlich und spürte, dass ich das Spiel verloren hatte.
«Auf meine eigene. Ohne Schutzengel und Hilfstruppen. Und du? Hauptmeister Laitio steht jedenfalls auf deiner Seite.»
«Woher weißt du das?»
«Ich weiß es eben. Und Laitio hat Martti Rytkönen getötet, der hinter dir her war – oder hat es sich vielleicht doch anders abgespielt?»
David beugte sich vor. Seine Haare brauchten eine neue Tönung, an den Wurzeln wuchsen sie bereits heller nach. Als ich ihm zum ersten Mal begegnet war, hatte er eine Glatze gehabt, aber mit seinem Haarwuchs war alles in Ordnung.
«Trankow hat Rytkönen erschossen. Er hat in letzter Minute das Lager gewechselt und mir das Leben gerettet.»
«Trankow? Valentin Paskewitschs …»
«Bastard. So nennt ihr ihn doch alle. Ein ziemlich altmodisches Wort im einundzwanzigsten Jahrhundert. Wie fändest du es, wenn ich Deividas so nennen würde? Du warst schließlich auch nicht mit seiner Mutter verheiratet.»
David biss sich auf die Lippen, dann nickte er. Ich wusste nicht, warum ich Trankow verteidigte, schließlich äußerte ich mich selbst immer wieder abfällig über ihn.
«Was läuft eigentlich zwischen dir und Juri Trankow?»
«Hast du das Recht, danach zu fragen?»
«Selbst wenn ich es hätte, wüsste ich nicht, ob ich eine ehrliche Antwort bekäme. Traust du dem Kerl?»
Die französischen Dialoge aus der Nachbarwohnung wurden von süßlicher Geigenmusik abgelöst, die nach der Abspannuntermalung einer Seifenoper klang. Dann verstummte sie, und es wurde völlig still. David stand auf und trat zu mir, zog mich hoch und half mir aus der Jacke. Ich ließ es geschehen, obwohl er dabei mein Holster entdecken musste. Er betrachtete es mit einem schiefen Lächeln, das nicht bis zu den Augen reichte.
«Das hatte ich ganz vergessen. Du bist eine Frau, die keinem traut. Ich bin unbewaffnet, du kannst dich davon überzeugen.» David zog mich an sich, führte meine Hände unter seine Achseln und an den Hosenbund. Sein Kuss glich einer Attacke, seine Zähne stießen an meine, seine Lippen waren nicht zärtlich, sondern zornig und fordernd, ich konnte ihnen nicht widerstehen.
Ich wollte es auch nicht. Ich wollte David. Das Gefühl war immer noch da, und ich ließ mich von ihm mitreißen.
5
Die Matratze war dünn, und das Bett knarrte fürchterlich, doch das war egal. Ich lag mit David in diesem Bett, und die zehn Monate ohne ihn existierten nicht mehr, die Zeit lief rückwärts, verdichtete sich zu den kurzen Momenten, die wir miteinander verbracht hatten, zu den Orten, wo wir uns getroffen hatten: Kopparnäs, Kiel, Andalusien, das Hotel Torni, die Toskana, Leysin. Unsere Kleider waren auf den Fußboden geflogen, meine Pistole samt Holster in der Ecke gelandet, in dem zugigen Zimmer war es warm, weil unsere Körper aneinanderlagen, sodass sie zusammenwuchsen und ich nicht mehr wusste, ob ich meinen Schweiß auf der Haut spürte oder Davids. Seine Zähne hinterließen Spuren an meiner Schulter, meine Schenkel pressten sich drängend um seinen Rücken, dring tiefer ein, mach weiter. Zum Teufel mit der schlechten Schallisolierung, ich schnurrte und brummte und brüllte, ich konnte nicht anders. Wir taten das Richtige.
Ich ließ David nicht aus mir heraus, nachdem er gekommen war, ich schaukelte zufrieden auf den Nachwellen. Die Umrisse seines Körpers waren so vertraut, die Härte des Bizeps, die kleinen Falten am Bauch. Das geistige Nest, das der Liebesakt schuf, war nur provisorisch, doch ich kroch bereitwillig hinein, sooft es möglich war.
Schließlich stand David auf und ging zum Kühlschrank.
«Hast du Durst? Es gibt Bier, Mineralwasser und Rum. Zur Feier des Tages hätte ich natürlich Champagner kaufen müssen.»
Für den Anfang begnügte ich mich mit Mineralwasser. Ich zog die Daunendecke, die wir vom Bett gerissen hatten, über mich und betrachtete David, der nackt durchs Zimmer ging, mich angrinste und die Jalousien herunterließ. Draußen waren das Fauchen einer Katze und das Jaulen eines Hundes zu hören, es klang nach einem Kampf.
David hatte ein Bier entkorkt und trank direkt aus der Flasche. Er wirkte wieder kräftig und hatte am Bauch ein wenig Fett angesetzt. Über die Außenseite
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