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Das Nest des Teufels (German Edition)

Das Nest des Teufels (German Edition)

Titel: Das Nest des Teufels (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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des rechten Oberschenkels lief eine fünf Zentimeter lange Narbe, die im letzten Frühjahr noch nicht dagewesen war. Sie hatte ungleichmäßige Ränder, als stamme sie von einem stumpfen Messer. Auf Davids Rücken waren rote Streifen zu sehen, die erst in ein paar Tagen verblassen würden. Ich hatte vergessen, mir die Nägel zu schneiden, bevor ich ins Dorf ging.
    «Erzähl mir ein paar Dinge. Wer war der bösartige Russe, mit dem du im
Il tre cantoni
gegessen hast?»
    «In dem Trüffelrestaurant in Paganico? Andrej Romanowitsch. Ihm gehört das Chalet, in dem du zurzeit wohnst. Mein jetziger Arbeitgeber. Auch unter dem Namen Chagall bekannt.»
    «Weiß Chagall, wer sein Chauffeur auf Zeit ist?»
    «Absolut nicht, er hat mich hier in Leysin noch nicht einmal gesehen! Chagall war in die Toskana gekommen, um mit mir einen Handel über das SR - 90 abzuschließen. Darauf sind er und Gezolian noch mehr erpicht als auf meinen Kopf. Sie haben bloß noch nicht genug Geld beisammen.»
    Rytkönen hatte behauptet, die Weißrussen hätten Mittel und Wege, David zum Reden zu bringen. Glaubte David im Ernst, jeder Folter widerstehen zu können? Was, wenn seine Gegner Deividas bedrohten – oder mich?
    «Was für ein Spiel spielst du eigentlich?»
    David feixte. «Weißrussisches Roulette, bei dem von sechs Kugeln nur eine entfernt wird. Ich glaube nicht, dass ich es schaffe, aber ich muss es einfach versuchen, Hilja! Gezolian hat noch mehr von dem SR - 90 , und ich will herausfinden, woher es kommt und wo er es versteckt hält.»
    «Wo ist das, was du behalten hast? Den Teil, den du der Europol nicht übergeben hast?»
    «Ach, du weißt davon. Wer hat es dir erzählt? Rytkönen? Wie oft hattest du mit ihm zu tun? Hat er dir gedroht? Was ist in Finnland eigentlich passiert?»
    David verschwieg mir so viel, dass ich keinen Grund sah, besonders offenherzig zu sein.
    «Ich habe einen Weg in die Dateien der Zentralkripo gefunden. Und Laitio hat mir geholfen, aber er ist jetzt aus dem Spiel. Todkrank …» Für eine Weile hatte ich den Mann vergessen, den ich nach all den Ereignissen als Freund betrachtete. «Jetzt könnte ich doch einen Schluck Rum vertragen. Wie lange willst du Chagalls Chauffeur spielen?»
    «Gezolian reist morgen auch ab. Ich bringe euch alle nach Genf zum Flughafen. Danach wird sich Anton in Luft auflösen.»
    «Darauf verstehst du dich, David Stahl», schnaubte ich und nahm ihm das Rumglas ab. Er hatte eine doppelte Portion eingegossen, von der ich die Hälfte trank. Am besten schwiegen wir einfach und ließen unsere Körper sprechen. Sie stritten nicht, sie fanden aneinander Frieden. Unsere Köpfe begannen sofort, zu streiten und Verstecken zu spielen, aber unsere Körper waren fähig, sich nicht zu verbergen.
    Ich streckte David die Hand hin, er ergriff sie. Ich zog ihn neben mich, schnupperte an seiner Hand. Tiere erkannten einander am Geruch, in dieser Hinsicht unterschied sich der Mensch nicht vom Tier, wir waren den Pheromonen ausgeliefert. War das eine schlechtere Art, sich zu paaren als der Aufbau von Imperien durch Heirat oder die Suche nach dem optimalen Partner bei einem Dating-Service? Dass ich immer wieder mit David schlief, hatte mit dem Verstand nichts zu tun. Die Natur hatte es so bestimmt.
    «Es ist besser für dich, nicht zu viel zu wissen. Glaub mir», flüsterte David mir ins Ohr.
    «Und mein Vater? Was weißt du über ihn?»
    «Er ist immer noch in Niuvanniemi, weil er als unzurechnungsfähige Person eingestuft wurde, die auch gegen ihren Willen zur Behandlung eingeliefert werden kann. Solche Beschlüsse werden nicht leichthin gefasst. Die Kriterien für eine Freilassung sind noch strenger, aber jetzt, nach mehr als dreißig Jahren, soll er zum ersten Mal auf Probe entlassen werden.»
    «Woher weißt du das?»
    «Ich habe Freunde.»
    «Und ich habe eine Schwester, und diesmal meine ich nicht unseren Luchs.» Flüsternd erzählte ich ihm Vanamos Geschichte.
     
    Vanamos Mutter Saara hatte beschlossen, dass ich ihre Tochter besuchen durfte. Aus einigen Nebensätzen schloss ich, dass Saaras Eltern dagegen waren, doch sie blieb bei ihrer Entscheidung. Die Familie hatte Vanamo eine bereinigte Fassung der Geschichte ihrer Entstehung erzählen müssen, bevor sie eingeschult wurde, denn in einem kleinen Dorf wie Tuusniemi konnte man solche Dinge nicht geheim halten.
    Saara hatte mich schon am nächsten Morgen zurückgerufen. Darauf hatte ich gehofft, deshalb war ich über Nacht in Kuopio geblieben.

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