Das Nest des Teufels (German Edition)
vielleicht, und meine ehemalige Arbeitgeberin, die Abgeordnete Helena Lehmusvuo, die ihr Mandat allerdings bei der Wahl im April erst wieder erneuern musste. Helena war daran gewöhnt, gegen große Herren zu kämpfen, aber konnte sie wirklich etwas ausrichten? Ich war mehr und mehr zu der Überzeugung gelangt, dass die politische Macht nur eine Kulisse war und dass die vom Volk gewählten Abgeordneten an den Fäden der Konjunktur und der Wahlspenden hingen wie Marionetten. Geld sprach eine deutliche Sprache. Man brauchte nur zu beherzigen, dass alles käuflich war und dass jeder zahlen musste. Die Söldner wechselten das Lager, wenn man ihnen einen besseren Sold bot.
Und dann war da noch Keijko Kurkimäki. Was bedeutete eigentlich Freilassung auf Probe? Oder hatte David einen Hafturlaub gemeint? Wie sollte ein Mensch, der dreißig Jahre in einer psychiatrischen Klinik für Gefangene verbracht hatte, sich überhaupt in ein normales Leben einfügen? Wer konnte beweisen, dass Kurkimäki dazu fähig war?
Frustriert stand ich auf und machte einige Dehnübungen. Ich konzentrierte mich auf die Atmung, legte mich dann auf den Boden und dehnte die Beinmuskeln. Was würde Gezolian mir geben, wenn ich David auffliegen ließe? Ich spielte eine Weile mit diesem Gedanken, und das Wissen, dass ich Macht über David hatte, war das beste Beruhigungsmittel. Als ich mich wieder ins Bett legte, fiel ich rasch in den Schlaf. Er war tief und traumlos, bis auf einen kurzen Moment, in dem ich sah, wie sich Frida auf dem zugefrorenen Rikkavesi-See mit einem Luchs paarte. Es war ein schöner Traum.
In der Hektik des Aufbruchs am nächsten Morgen blieb mir keine Zeit für Grübeleien. Julia hasste Flughäfen; dass sie erster Klasse flog und bei der Sicherheitskontrolle bevorzugt wurde, genügte ihr nicht. Für sie hätte es ein Privatjet sein müssen. Ich packte unsere Sachen und brachte sie nach unten, bevor ich zum Frühstück ging. Pierre machte ein großes Drama aus meiner Abreise, er behauptete, sie bräche ihm das Herz. Ich ließ ihn schwafeln und Küsschen geben, weil Lescha dabeistand. Es war nur gut, wenn Gezolians Gorilla glaubte, mein Interesse gelte dem Koch – und nicht dem Chauffeur.
Gegen neun Uhr fuhr Anton vor. Wir grüßten uns wie Menschen, die einander gleichgültig sind. Gezolian wollte während der Fahrt mit Lescha einige Papiere durchgehen – offenbar aus Angst vor Lauschern im Flugzeug –, daher wurde ich auf den Beifahrersitz geschickt.
Es war furchtbar. David saß dicht neben mir, ich nahm seinen Geruch wahr und musste doch die Finger von ihm lassen. Es kam mir vor, als ob der ganze Wagen nach meiner Sehnsucht roch, merkte man auf der Rückbank etwa nichts davon?
Die Hände, die das Lenkrad hielten, steckten in Handschuhen, Anton trug eine Sonnenbrille und hatte die Mütze tief in die Stirn gezogen. Seine dickgefütterte, weite Kleidung verbarg seine Gestalt. Ich wusste nicht einmal, ob Gezolian David je persönlich begegnet war. War David dabei gewesen, als sein damaliger Boss Boris Wasiljew mit Gezolian über die SR - 90 -Lieferung verhandelt hatte? Was glaubte David herauszufinden, indem er Gezolian durch die Gegend chauffierte?
Ich hätte gern mit ihm über irgendwelche Belanglosigkeiten geredet, doch dafür hätten meine Schauspielkünste nicht ausgereicht. Gezolian war inzwischen eingenickt, Julia lackierte sich die Fingernägel und tadelte Anton, wenn er zu heftig bremste. Ihr Handy klingelte. Offenbar kam der Anruf von Syrjänen.
«Im Wagen auf dem Weg zum Flughafen. Alles in Ordnung. Richte ich aus. Ich dich auch.» Julias Stimme klang tonlos, mit ihrem Vater sprach sie ganz anders als mit ihrem Verlobten.
In den Bergen strahlte die Sonne, denn die Wolken hingen sehr tief. Als wir schließlich die Ebene erreichten, war es, als wären wir in eine andere Welt geraten. Der Genfer See sah aus wie geschmolzenes Blei, die Luxusvillen am Ufer waren hinter hohen Toren versteckt. Anton wollte ganz offensichtlich vermeiden, von der Polizei angehalten zu werden. Er achtete penibel auf das Tempolimit, hielt sofort an, wenn die Ampel auf Gelb sprang, und nahm so viel Rücksicht auf Fußgänger, dass Julia auf dem Rücksitz vernehmlich seufzte. Natürlich hatte David perfekt gefälschte Papiere, aber lauteten sie auf den Namen, den er Chagall genannt hatte? Am Flughafen parkte er im VIP -Bereich und stieg aus, um Lescha und mir mit den Koffern zu helfen. Dann nickte er in die Runde, wünschte auf Russisch
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