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Das Nest des Teufels (German Edition)

Das Nest des Teufels (German Edition)

Titel: Das Nest des Teufels (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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hatte, neue Nageltips machen lassen. Meine Anwesenheit war dabei wohl nicht nötig. Ich schloss mich in meinem Zimmer ein, um zu packen. Der Nagant lag schwer in meiner Reisetasche. Da die Straßenbahnlinie  1 sonntags nicht in Betrieb war, musste ich den Bus nehmen. Mit der Straßenbahn hätte die Fahrt länger gedauert, ich hätte noch eine kleine Gnadenfrist gehabt. Die Schneehaufen am Straßenrand waren zusammengeschmolzen, und die Amseln sangen auch in der Stadt. Im Treppenhaus roch es diesmal nach Quarkkuchen; meine ehemalige Nachbarin aus dem Erdgeschoss, der ich im Treppenhaus begegnete, lächelte mich fröhlich an.
    «Ich habe mir gerade bei Elli eine Kostprobe geholt. Sie hat mir erzählt, dass du sie besuchst.»
    Ich verfluchte mein Pech. Hoffentlich passte die Frau nicht allzu genau auf, wer im Haus ein und aus ging, sonst würde sie sich darüber wundern, dass Hilja zu Frau Voutilainen ging, dann aber ein unbekannter Mann aus der Wohnung kam.
    Die Zeit für das Kaffeetrinken hatte ich eingeplant. Tante Voutilainen fragte, ob ich lange unterwegs sein würde. Sie meinte, bei meiner Rückkehr könnten wir einen kleinen Spaziergang machen, das Wetter sei so schön.
    «Dann hätten die alten Weiber in der Nachbarschaft was zu reden, wenn ich am Arm eines jungen Mannes herumspaziere. Ich wäre eine … Jaguar-Lady …»
    «Puma», lachte ich und fügte hinzu, Reiska sei zwar nicht unbedingt ein Lottogewinn, aber für einen Spaziergang sei er allemal zu haben. Beim Umkleiden wurde mir klar, dass es tatsächlich nicht Hilja war, die Laitio die Waffe aushändigen würde, sondern Reiska. Eine schwarzhaarige Frau namens Kanerva hatte sie zusammen mit Trankow in Saunalahti geholt, und nun würde Reiska Räsänen sie abliefern, ohne sich den Kopf darüber zu zerbrechen, wofür sie gebraucht wurde.
    Ich band meine Brüste fest und zog das karierte Hemd über das T-Shirt mit der Aufschrift «Born in the Savo». Dann stopfte ich mir den Hosenstall aus. Mit Make-up vergrößerte ich die Poren in meinem Gesicht, der Pickel an der Schläfe passte zu Reiska. Ich bürstete mir die Augenbrauen buschig und schmierte Gel in den Schnurrbart, damit er in Form blieb. Ein letzter Blick in Hiljas Augen, dann setzte ich die verspiegelte Sonnenbrille auf, die für den Frühlingstag genau richtig war. Ich befestigte Reiskas Perücke. Er würde noch lange nicht ergrauen, es war der Vorteil dünner, hellbrauner Haare, dass sie ihre Farbe behielten. Reiska hatte mit dem Gedanken gespielt, sich Koteletten stehen zu lassen, die waren jetzt wieder in Mode und wirkten ausgesprochen maskulin. Die Kleidung war dieselbe wie beim letzten Mal, ich hatte sie nicht gewaschen, und der Duft von Reiskas Rasierwasser hing in ihr. Dennoch klatschte sich Reiska noch mehr von dem Wässerchen an Kinn und Hals. Auf dem Weg zur Bushaltestelle würde er eine Zigarette rauchen, damit seine Hände den richtigen Geruch bekamen.
    Reiska besaß einen kleinen Rucksack, in den ich den in Stoff gewickelten Nagant packte. Der Rucksack enthielt außerdem eine Reserveschachtel Zigaretten und eine Bierdose, denn man wusste ja nie, wann einen der Durst überraschte. Im Übrigen hatte ich aus Syrjänens Zeitungsständer ein paar Hefte von «Welt der Technik» und «AutoBild» mitgehen lassen, um die Umrisse der Waffe zu verbergen.
    Frau Voutilainen lachte auf, als Reiska aus dem Badezimmer trat.
    «Als hätte man ein Theater im eigenen Wohnzimmer», sagte sie. «Als jungverheiratete Frau habe ich Ella Eronen und Tauno Palo in
Endstation Sehnsucht
gesehen. Ich wusste, dass die Eronen über fünfzig war, aber das Make-up und die Beleuchtung ließen mich etwas anderes glauben. Und jetzt bin ich ganz sicher, dass ein junger Mann in meiner Wohnung steht.»
    «Ich bin dann mal weg. Wenn ich zurückkomm, machen wir den Spaziergang. Dauert nich lange.»
    Die Urheilukatu war nahe, ich brauchte nur einmal vom Bus in die Straßenbahn umzusteigen. Reiska saß während der Fahrt seelenruhig da und hörte Musik von Korpiklaani. Finnischer Folk-Metal gefiel ihm. In der Straßenbahn setzte sich ein Säufer neben ihn und versuchte ein Gespräch anzufangen, doch Reiska schwieg. Er durfte jetzt keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
    Reiska musste zweimal klingeln, bevor jemand reagierte.
    «Na endlich! Ich bin im Arbeitszimmer.» Laitios Stimme klang heiser. Reiska nahm den Aufzug, warum sollte er auf der Treppe seine Beine strapazieren, wenn ihm diese moderne Erfindung zur Verfügung

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