Das Nest des Teufels (German Edition)
Sicherheitsakademie Queens.
Dafür hatte Jaan Rand mir gemailt.
«Mission in Tartu erfolgreich ausgeführt. Wir sitzen am Genfer See und essen Austern. Alles bestens. Friede und Liebe. Jaan»
Vielleicht war der letzte Satz ein Gruß von David, warum sonst hätte Jaan im Plural gesprochen. David liebte gutes Essen, das hatte ich zuletzt in der Toskana bemerkt. Ich hatte oft mit dem Gedanken gespielt, ihn nach Hevonpersii mitzunehmen, wo er die Kochkünste von Maija Hakkarainen genießen konnte. Inzwischen glaubte ich nicht mehr daran, dass wir eines Tages offen, furchtlos und ohne Maske zusammen sein würden.
Immerhin strahlten dieselben Sterne über uns. Der Abendhimmel war klar, und ich hoffte, sie am Ufer, wo die Gartenlampen nicht so blendeten, sehen zu können.
Aus der Sauna war Musik zu hören, Syrjänen ließ das Radio sogar in der Dampfstube laufen. Onkel Jari hätte das als Bruch des Saunafriedens betrachtet.
Meine Sehnsucht nach David war so groß, dass mein ganzer Körper schmerzte. Ich hätte David gern gefragt, ob es richtig war, dass ich Laitio die Waffe brachte, und wie ich mich gegen Gezolian zur Wehr setzen sollte. Ein Satellit flog auf seiner Bahn hoch über mir. Sollte ich so tun, als sei er eine Sternschnuppe, und mir etwas wünschen? Doch mich selbst konnte ich nicht täuschen.
Ich hörte Schritte hinter mir. Natürlich Juri, der mich vom Fenster aus gesehen hatte.
«Schön», sagte er und trat an meine Seite. «Der Mond hat eine seltsame Färbung, leicht grünlich. Hast du so etwas schon mal gesehen?»
Ich verneinte. Der Halbmond schimmerte, als fiele sein Licht durch Gras.
«Hast du die Waffe schon abgeliefert?»
«Morgen.»
«Bestell Laitio Grüße von Paskewitschs Bastard. So nennt er mich ja. Ich habe mir meinen Vater nicht ausgesucht, und ich kann auch nichts dafür, dass er mich und meine Mutter nicht wollte!»
«Er beleidigt dich bestimmt nicht mehr, wenn er erfährt, wie du den Nagant beschafft hast. Und er würde dich nicht decken, wenn er dich nicht irgendwie schätzen würde. Er ist manchmal boshaft. Und jetzt will er seiner Familie den beschissenen Streich spielen, sich das Gehirn aus dem Kopf zu pusten. Vermutlich denkt er gar nicht daran, sie vorzuwarnen.»
Juri legte einen Arm um mich. Ich lehnte den Kopf an seine Schulter. Die Sterne blieben an ihrem Platz, keiner von ihnen setzte sich einfach ab. Der Gürtel des Orion war deutlich zu erkennen. Onkel Jari hatte mir die Namen der Sterne beigebracht, und ich hatte jedes Jahr auf die Nächte gegen Ende August gewartet, wenn es auf der Höhe von Hevonpersiinsaari wieder dunkel genug war, um sie leuchten zu sehen. Als ich später in der Stadt wohnte, hatte ich ihre Vielzahl vermisst. Ein Mensch, der die Sterne nicht zu Gesicht bekam, neigte dazu, sich zu überschätzen.
«Bist du wütend auf Laitio?»
«Nein, aber auf den Tod. Der holt so oft die falschen Menschen.»
Trankow summte eine Melodie. Er hatte einen weichen, hellen Bariton. Ich erkannte die
Bohemian Rhapsody
von Queen.
«Nachdem ich Rytkönen erschossen hatte, habe ich tagelang nur diesen Song gespielt. Ich konnte keine andere Musik hören. Manchmal hatte ich das Gefühl, mir zerspringt der Kopf. Aber man gewöhnt sich an alles, sogar daran, dass man einen Menschen getötet hat. Inzwischen wache ich nachts nicht mehr sechsmal auf. Manchmal schlafe ich sogar eine Nacht durch.»
Wahrscheinlich hatte sich auch mein Vater an seine Schuld gewöhnt. Vielleicht hatte er sich seine eigene Realität konstruiert, in der seine Taten vollkommen berechtigt waren und die Schuld allein bei den anderen lag. Ich selbst war nie ganz über den Gedanken hinweggekommen, dass ich an Anita Nuutinens Tod mitschuldig war. Wenn ich sie beschützt hätte, wäre es Wasiljews Killern nicht so leichtgefallen, sie zu erwischen. Vielleicht wäre ich aber dabei draufgegangen, an Anitas Stelle gestorben. Dann hätte ich Vanamo und David nie kennengelernt.
Ein plötzlicher Kälteschauder packte mich und schüttelte Trankows Arm von meiner Schulter. Ich ging ins Haus, hörte Musik von den Eläkeläiset, die für mich der beste Stimmungsaufheller war, und sah im Internet nach, wie es den Luchsen im Raubtierzentrum ging. Schließlich schlief ich vollständig bekleidet ein.
Der Sonntag kam viel zu schnell. Julia war mehr als willig, nach Helsinki zurückzukehren, also nahm ich sie mit. Sie sagte, sie wolle mit ihrem Vater skypen und sich in einem Nagelstudio, das am Wochenende geöffnet
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