Das Nest des Teufels (German Edition)
war zum Glück nicht voll, sodass sich das Problem von selbst löste. Da ich in der vorigen Nacht nur gedöst hatte, verschlief ich fast den ganzen Flug. Trankow und Syrjänen holten uns am Flughafen ab, und Juris glücklicher Blick erdrückte mich fast. Ich hatte ihn nicht aufgefordert, sich in mich zu verlieben, aber der Oralsex nach dem russischen Roulette war ein kolossaler Fehler gewesen. Nun bildete er sich wieder wer weiß was ein. Allerdings wusste ich, dass ich Verbündete gegen Gezolian brauchte, und Juri hatte schon mehrfach bewiesen, dass er handlungsfähig war, wenn es brenzlig wurde. Aber würde er sich für David in Gefahr begeben? Darauf durfte ich nicht bauen.
Als wir in der Stadtwohnung am Bulevardi angekommen waren, rief ich bei Laitio an, erreichte aber wieder nur den Anrufbeantworter und legte wortlos auf. Dann ging ich mit Julia das Programm der nächsten Woche durch, zu dem unter anderem eine Besprechung mit Monika von Hertzen über das Festmenü und ein Treffen mit dem russischen Tenor gehörten, der bei der Hochzeit singen sollte. Trankow starrte mich den ganzen Abend schmachtend an, und gegen halb zehn hielt ich es nicht mehr aus. Ich musste raus aus der Wohnung und aus seinem Blickfeld. Bis zu Davids Ankunft war es nur noch etwas mehr als eine Woche, gut zweihundert Stunden. Mein Körper erinnerte sich an seine Berührungen, und die Begierde war plötzlich so überwältigend, dass ich am liebsten gebrüllt hätte wie ein Luchsweibchen, das nach seinem Partner ruft.
«Wie wär’s mit uns beiden? Ficken wir bei dir oder bei mir, Schätzchen?» Die Worte, die ich am Marktplatz Hietalahti hörte, rissen mich aus meiner Träumerei. Drei betrunkene junge Männer kamen mir entgegen. Hatten sie mir die Geilheit am Gesicht abgelesen? Sie galt wahrhaftig nicht ihnen.
«Ihr spinnt wohl», antwortete ich unwillkürlich, obwohl ich meinen Ärger natürlich hätte hinunterschlucken müssen. Nur weltfremde Idealistinnen nahmen solche Pöbeleien übel, sie gehörten schließlich zum Jedermannsrecht.
«Was hast du gesagt?» Einer der Männer packte mich am Ärmel.
«Loslassen!», brüllte ich ihn an wie einen Hund. Der Mann war fünf Zentimeter kleiner als ich und stank nach Jägermeister und Fritten.
«Guckt euch das an, Jungs, ein richtig wildes Kätzchen.» Der Mann packte nur noch fester zu, die Trunkenheit machte ihn selbstsicher.
«Bist du etwa lesbisch, du Fotze? Oder lässt du dich bloß von Mokkapimmeln vögeln?», brachte der zweite Mann noch heraus, bevor ich ihm in die Eier trat. Der Kerl, der mich festhielt, bekam einen Handkantenschlag auf die Finger, ließ mich schreiend los und kam so ins Schwanken, dass er schließlich auf dem Hintern landete. Der dritte ließ, als er sah, dass seine beiden Kumpane Prügel bezogen, vor Verblüffung seinen Biervorrat fallen.
«Au Scheiße, verdammte Nutte», jaulte der Kerl, dem ich in die Eier getreten hatte.
«Total durchgeknallt, die Tussi», sagte der Mann, dem das Bier aus den Händen geglitten war, trat aber vorsichtshalber zurück. Als ich einen forschen Schritt auf ihn zu machte, rannte er weg.
«Denk an mich, wenn du das nächste Mal zudringlich werden willst!», rief ich ihm nach. Der Mann, der mich festgehalten hatte, betrachtete seine Finger, als wären sie gebrochen. Sie würden wohl ein paar Tage lang geschwollen bleiben. Von der Werft her näherte sich ein Paar, das zwei Barsois an der Leine führte. Ich ging ihnen entgegen. Als ich auf gleicher Höhe war, winselten die Hunde, als spürten sie die Wut, die von mir ausging. Ich eilte im Laufschritt ans Ufer und verfluchte alle Arschlöcher, die sich nicht zu benehmen wussten. Plötzlich sah ich das Gesicht von Seppo Holopainen vor mir. Hatte er sich schon zu Tode gesoffen, oder konnte ich ihm noch die Meinung geigen? Der bloße Gedanke verschaffte mir Befriedigung. Mit dem Kerl wurde ich mindestens so leicht fertig wie mit den drei Besoffenen. Iwan Gezolian war ein anderes Kaliber.
Ich hatte noch nicht einmal den Ansatz eines Plans für Gezolian, aber ich glaubte fest daran, dass David und ich gemeinsam etwas zustande bringen würden.
Das Warten auf David machte mich so fröhlich, dass Hanna mich am Dienstag vor Ostern fragte, was mich denn zum Singen brachte. Ich hatte Abbas
Gimme Gimme Gimme
geträllert, ohne es zu merken.
«Nur die Frühlingssonne. Stimmt sie dich nicht auch fröhlich?»
Am Gründonnerstag erfroren mir die Lieder auf den Lippen, denn am späten Nachmittag
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